REVIEWS BOOKs SPECIAL: ARCHITECTURE 07-2016
Up Up – Stories of Johannesburg’s Highrises
Diverse Autoren & Herausgeber / Hatje Cantz Fourthwall Books
Vordergründig geht es in Up Up um die Dokumentation einer Auswahl ehemaliger Prestigebauten der Innenstadt im südafrikanischen Johannesburg, darunter viele modernistische Hochhäuser. Gebäude als historische Zeitzeugen zu begreifen, ist aber der eigentliche Verdienst dieses Buches. Konsequenterweise wird daher nicht nur die Architektur formal vorgestellt anhand von Fakten, Grundrissen, Archivmaterial und zeitgenössischen Innen- und Außenansichten. In einem zweiten Erzählstrang gibt es zu jedem Bauwerk eine Reportage oder einen subjektiven Essay über dessen Innenleben. Interviews mit Bewohnern und Beiträge unabhängiger Autoren, Künstler und Fotografen gestatten Einblicke in das alte und neue Leben der Gebäude. Grafisch werden die beiden Stränge durch das Zurückspringen der ‚Erzählseiten’ deutlich gemacht. Da das bei jedem Haus geschieht, ergibt sich beim Durchblättern ein Rhythmus, der an die Rasterfassaden der vorgestellten Architektur erinnert – für den Benutzer besonders haptisch erfahrbar, für den Hersteller besonders aufwändig. „Man könnte sagen, es entstehen Komposit-Kapitel, die aus jeder Architektur einen soziologischen Fall machen“, beschreibt es die Jury der Stiftung Buchkunst, die den Band zu den ‚25 schönsten deutschen Büchern 2016’ gekürt hat - die Texte für die internationale Klientel sind dennoch englisch. gb |
|
Hidden Urbanism
Diverse Autoren - Philipp Meuser & Anna Martovitskaya (Hrsg.) / DOM Publishers
DOM-Chef Philipp Meuser mit einer weiteren prächtigen Exkursion ins weite Feld der sowjetisch-russischen Baukunst & Technologie. Der hier behandelte Reichtum verbirgt sich im Untergrund. Architektur und Design der Moskauer Metro (von 1935 - 2015) lassen sich mit diesem opulenten Bildband sozusagen in vollen Zügen genießen. Nicht nur schleust das bis heute weltweit meistfrequentierte und bis 2017 zudem vor seiner bisher größten Erweiterung stehende U-Bahnsystem jährlich an die zweieinhalb Milliarden Fahrgäste durch seine fast 200 Stationen, es kommt auch einem gigantischen Museum sowjetischer und postsowjetischer (Bau-)Kunst gleich. Neben den Art Deco-Highlights und neoklassizistischen Säulen, Skulpturen & wertvollen Mosaiken der Stalin-Ära, präsentiert in so großformatigen wie großartigen Underground Art-Fotoessays von Alexander Popov, wird hier der Blick auch auf Stadtentwicklungskonzepte und die Geschichte der Moskauer Untergrundbahn gelenkt, mit englischsprachigen Textbeiträgen des Moskauer Chefarchitekten Sergey Kuznetsov, des Historikers Alexander Zmeul (www.archspeech.com) und des für den neuen Designauftritt der Moskauer Metro zuständigen Art Director des Art.Lebedev Studios Erken Kagarov. Kompetente Stimmen, die diese einmalige Materialsammlung (en detail ergänzt von Werbeplakaten, Steckenplänen & Fahrkarten) zu einem der unverzichtbaren Architekturtitel des laufenden Jahres machen. |
TIPP!
|
Back in the USSR
Peter Ortner / Jovis
In den postsowjetischen Raum zieht es auch den Nürnberger Fotografen Peter Ortner immer wieder. Für seine dem englischsprachigen Titel Soviet Bus Stops aus dem Vorjahr verwandte Bildersammlung von Bushaltestellen ist Ortner nach Moldawien, in die Ukraine, auf die Krim, nach Armenien, Georgien, Aserbaidschan und Usbekistan gereist, zunächst mit dem Plan, eine serielle, möglichst lückenlose Dokumentation zu erstellen. Die über riesige Entfernungen verstreuten, in unterschiedlichem Zustand zwischen Zweckentfremdung, Ausschmückung, bunter Bemalung und Korrosion befindlichen Bauwerke anonymer Architekten entzogen sich diesem Vorhaben jedoch - trotz sozialistischer Normvorgaben - und zwangen den Ablichter immer wieder zur Improvisation. Zum Glück für den Betrachter, denn die nun eingestreuten Benutzer dieser etwas anderen 'Seidenstraße' nebst ihren Fahrzeugen und Viehbeständen sorgen für Lebendigkeit und lockern die Versuchsanordnung auf. Unterwegs im Wartestand - ein Panoptikum eklektischer Mikroarchitektur für eine banale alltägliche Verrichtung, über die Ortner auch im Vorwort des folgerichtig in rechteckiger Form vorliegenden 112-seitigen Buches räsoniert. |
TIPP |
Felix Novikov - Architect of the Soviet Modernism
Vladimir Belogolovsky / DOM Publishers
Dieses bereits 2013 bei DOM Publishers erschienene Buch präsentiert Leben und Werk des in Russland prominenten Architekten und Publizisten Felix Novikov (*1927), der den gängigen Begriff der sowjetischen Moderne geprägt hat. So gehen etwa der Moskauer Palast der Pioniere (incl. vieler Details wie des `Musik´-Reliefs der Konzerthalle), der architektonische Komplex in Zelenograd, die UdSSR-Botschaft in Mauretanien, mehrere Metrostationen (s.o.) und die Entwürfe der wichtigsten touristischen Zentren in Samarkand und Buchara auf das Konto des vom Konstruktivismus beiinflussten Novikov. Als kommentierte und aufbereitete Fassung des 2010 bei einem russischen Verlag (ebenfalls auf englisch) erschienenen Bandes Soviet Modernism: 1955 - 1985 verbergen sich hier hinter der nüchternen Cover-Aufmachung eine Vielzahl s/w-Abbildungen und Fotos, Skizzen und Baupläne - bis hin zu Wasserfarben-Bildern des künstlerisch angehauchten Baumeisters. Grundlagenwissen für alle an sowjetischer Architektur Interessierte. |
Behind the Iron Curtain - Confession of a Soviet Architect
Felix Novikov / DOM Publishers
Auf dem vorangegangenen Band in Wort und Bild aufbauende, weiterführende Novikov-Exkursion hinter den Eisernen Vorhang. Vom Autoren des oben vorgestellten Bandes, Vladimir Belogolowsky, stammt diesmal nur das Vorwort, in der Folge beschreibt Zeitzeuge und Insider Felix Novikov (* 1927) selbst die Strukturen und die teils dramatischen Hintergründe & Fakten, die `seiner´ Modernismus-Bewegung in drei Jahrzehnten sowjetischen Architektur (von 1955 bis 1985) zugrundelagen. Der kurz vor dem Kollaps der Sovietunion noch von Gorbatschow mit der höchsten staatlichen Ehrung als `Architekt des Volkes´ ausgezeichnete, heute in den USA lebende Baumeister beschreibt anhand einer Vielzahl Beispiele für in modernistischem Stil errichtete Gebäude und persönlicher Erlebnisse u.a. das sich stetig baulich verändernde Moskau als ´werewolf city´ und gesteht: "I remain a Soviet architect - and maybe I am the only one left." www.dom-publishers.com |
|
Architectural Guide - Chile
Veronique Hours & Fabien Mauduit / DOM Publishers
Für kein anderes Land scheint das Hochkant-Format der DOM Architekturführer geeigneter als für das sich in der Länge über fast 40 Breitengrade, 4300 km von der peruanischen Grenze bis in antaktische Gefilde erstreckende und dabei teils nur 90km breite Chile. Obwohl lange insbesondere politisch isoliert, findet sich nicht nur in der Metropolregion um Santiago de Chile interessante Bauten, sondern auch im Norden & Süden des Landes. Zeitgenössische Architekten wie Mathias Klotz, Alejandro Aravena, Smiljan Radic oder Pezo von Ellrichsausen, der Bauhaus-beeinflusste Sergio Larraín oder die Le Corbusier-Anhänger wie Emilio Duhart oder Roberto Dávila mögen nur Insidern bekannt sein, doch dem kanadisch/französischen Autorenteam ist es gelungen, die Entwicklung im 20. Jahrhundert nachzuzeichnen, internationale Einflüsse zu verdeutlichen und Interesse an den vorgestellten Beispielen etwa der Earth Architecture zu wecken, wie sie in der Atacama-Wüste steht (z.B. das Museo del Deserto von 2009) oder der (letztendlich nur aus einem Turm bestehenden) 110m hohen World Trade Center-Kopie (1978-80) Torre Santa Maria in Prvidencia. Ein ganzes Kapitel ist auch der modernistischen Siedlung Cerro Sombrero (158-61) gewidmet. Chile-Reisende in spe - hier schlummern diverse architektonische Entdeckungen. |
Architekturführer Leipzig
Diverse Autoren & Herausgeber / DOM Publishers
Hypezig - die Macher des gleichnamigen Hipster-Blogs machten ihr Projekt dicht, als das Tourismusamt mit einer Likezig-Kampagne unter ähnlicher Flagge segeln wollte. Mit dem Ende der DDR konnte daran gegangen werden, im Rahmen eines stadtentwicklungspolitischen Neubeginns zunächst den Zerfall großer Teile der Bausubstanz Leipzigs zu stoppen und industrielle Brachen nach und nach neuen Nutzungen zuzuführen, Bsp. Start-up & Kreativquartier Spinnerei. Aus dem arg fragmentierten Stadtkörper von Leipzsch wurde mittlerweile die am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands, In fünf Boomtown-Ost-Spaziergängen geht es hier durch Innenstadt-Hochbauten, Industriearchitektur und Wolkenlabor - auch temporäre Kunst-Installationen werden berücksichtigt, wie das Hotel Everland (2006-2007 auf dem GfZK-Dach, danach gen Paris weitergezogen). Für den neuen Architekturführer zur größten Stadt Sachsens hat sich ein Kollektiv junger ostdeutscher Architekten aus dem Verein Octagon e.V. - Raum für Architektur und Urbanes zusammengefunden, das sich von der Uni kennt und hier einen guten Job gemacht hat. Incl. Standort- & Architekten-Register, Luftbilder, Karten & QR-Codes - hilfreich zur Recherche vor Ort. |
25 elegante Wohnhäuser
Holger Reiners / DVA
„Heute darf in Architekturdiskussionen wieder über Schönheit gesprochen werden, Schönheit darf wieder zu einem der vielen möglichen Entwurfsparameter gerechnet werden“, stellt Holger Reiners in seiner Einführung fest. Und weiter: „Wenn Schönheit anspruchsvoller Maßstab ist, dann fällt Eleganz unter die Rubrik Luxus.“ Er meint das nicht im negativen Sinn. Aber für Reiners gibt es mehr als ‚form follows function’. Eleganz als ikonografische Form mit dem Anspruch der Exzellenz. Ihr möchte er in der modernen Architektur (wieder) eine Stimme verleihen. In 25 elegante Wohnhäuser läuft das auf eine möglichst klare Formensprache mit gerader Linienführung und reduziertem Materialeinsatz hinaus. Da ist die Typo auf dem Einband leider etwas irreführend, die im Buch eher Prunk und Portikus anstelle von Bauhausarchitektur vermuten lässt. Doch das Buch ist eine echte Inspiration für zukünftige Bauherren und Liebhaber moderner Architektur. Noch schöner wäre es, wenn man den Standort der einzelnen Objekte nicht mühsam im Lauftext suchen müsste. Ist es doch für die Beurteilung von Unterschied, ob ein Haus in Norddeutschland steht oder in der Toskana...
gb www.randomhouse.de |
Wohnideen aus dem wahren Leben - Best of Interior Blogs
Petra Harms / Callwey
Die besten Wohnideen der besten 15 Interior-Blogger aus sechs europäischen Ländern - versammelt in einem Buch, ausgewählt von einer Jury bekannter Blog-Koryphäen: Igor Josifovic von Happy Interior Blog, Gudy Herder von Eclectic Trends und Ricarda Nieswandt von 23qm Stil. Hört sich gut an, sieht auch gut aus – ist nur irgendwie alles sehr mainstreamig. Wirkliche Überraschungen? Pustekuchen. Da fragt man sich: Sind die besten 15 Interior-Blogger in dieser Ausgabe von Wohnideen aus dem wahren Leben auch nur den Haupttrends auf der Spur? Oder schreiben die etwa alle voneinander ab? Spaß macht das Buch trotzdem: Die Einleitung ist unkompliziert geschrieben, Bilder und Layout ansprechend, die Überschriften sind witzig bis albern – Stichwort Granny Glam. Aber: es geht nicht ums Wohnen, was ja auch immer etwas mit Raumorganisation zu tun hat, sondern ausschließlich um Deko. Das jedoch hübsch verpackt und sympathisch aufbereitet. Ein Trend sei hier bereits verraten: Durch die Blogwelt sprießt und wuchert Grünes und die Natur erobert sich einen Platz im Wohnbereich zurück. gb www.callwey.de |