COMIC Special 9-11

 

Posy Simmonds - Gemma Bovery 

Reprodukt

 
 

 

Schon 1999, sechs Jahre vor "Tamara Drewe" hatte sich Buchautorin & "Guardian"-Cartoonistin Posy Simmonds eine literarische Vorlage aus dem 19. Jahrhundert als Inspiration für eine meisterhaft in Szene gesetzte Graphic Novel vorgenommen. Aus Elementen von Gustave Flauberts klassischem Meisterwerk "Madame Bovary" wird "Gemma Bovery", auch wenn die junge Londoner Illustratorin Gemma nur durch die Heirat mit dem Restauratoren Charlie zu diesem Nachnamen kommt, der in beider neuer Wahlheimat, im ländlichen Nirgendwo der Normandie, die Fantasien des belesenen Bäckers Joubert etwas zu sehr anregt. Alles, was Regisseur Stephen Frears an "Tamara Drewe" fasziniert hat, ist in diesem Werk bereits fein beobachtet und ausgearbeitet: Stadt-Land-Gegensätze, ein vielschichtiges bürgerliches Charakter-Panoptikum incl. jeder Menge Enttäuschungen, und Lebenslügen, dabei trotz der tragischen Note mit Humor & Smpathie erzählt. Bleibt zu hoffen, dass Comic-Quereinsteigerin Posy Simmonds es nicht bei diesen Würfen belässt. Die deutsche Ausgabe erscheint selbstredend bei Reprodukt, sorgfältig aus dem Englischen (und Französischen) übertragen durch Annette von der Weppen & von Michael Hau handgelettert.

 

GRAPHIC NOVEL-TIPP!


 
 


Joe Sacco - Gaza

 
 Edition Moderne  
 

 

Joe Sacco, der in Malta geborene zeichnende US-Journalist, kehrt nach "Palästina" und "Bosnien" erneut in den Nahen Osten zurück. Mit geradezu besessen anmutender Akribie begibt sich Sacco inmitten der modernen Konflikte im Gazastreifen auf die Spurensuche nach zwei während der Suezkrise 1956 von der israelischen Armee an palästinensischen Flüchtlingen angerichteten Massakern. Der Mord an nahezu vierhundert Wehrlosen taugte in der damaligen Weltpresse nur zu "Fussnoten", was Sacco -50 Jahre später- keine Ruhe ließ. Der Autor beschreibt in "Gaza" sowohl seine monatelangen, schwierigen Recherchen vor Ort als auch die aus Dutzenden von Augenzeugenberichten rekonstruierten Ereignisse, teils aus mehreren Perspektiven. Saccos Zeichenstift macht eindringlich klar, woraus sich der nichtendenwollende Nahostkonflikt immer noch speist: Angst und Hass. Verdienstvoller, sperriger Comic-Journalismus par excellence - auf fast 400 Seiten. Leseprobe

 

 GRAPHIC NOVEL-TIPP!


 
 
 

Marijuanaman

 
 Various Artists - Image  
 

 

Ein Superheld etwas anderen Zuschnitts - Made in Jamaica! "Marijuanaman" ist der Fantasie von Bob Marleys ältestem Sohn Ziggy entsprungen. With a little help by Joe Casey ("Godland","Butcher Baker") für die Story & Jim Mahfood ("Kick Drum Comix" & "Mix Tape") für die Zeichnungen ist ein (bisher nur in englisch vorliegendes) kämpferisch-ironisches Manifest entstanden, in dem Pharma-Cons ekliger Konzernchef `Mr. White´ seinen fiesen Kampfroboter `Cash Money´ auf die rechtschaffenen Hippies der Enklave `Exodus´ loslässt. Der mit (black) Bond-Girl-Attributen ausgestatteten Rebellenführerin MJ kommt -praktischerweise unlängst vom Planeten Yelram (sic!) eingeschwebt- `Sedona´ zu Hilfe, der sich mittels Ganja-Konsum vom antriebslos-außerirdischen Hänger-Gemüse zum omnipotenten Super-Champion mausert. Das psychedelische Ganze kann man durchaus auch `un-stoned´ goutieren, obwohl abschließend noch eine ganze Seite mit "Hemp Education" gereicht wird. Das 48-seitige, in Kooperation von Image-Verlag und Tuff Gong in den USA herausgegebende Hardcover-Comic ist für etwa 25 $ (US) zu haben. www.ziggymarley.com/marijuanaman.php

 

IMPORT-TIPP!

 
 
 

Cowboys & Aliens

 
 Various Artists - Panini  
 

 

Es lebe der Genre-Mix - so wild war der Westen noch nie...Während Stephen King & Co ja schon mit dem ersten Band von "American Vampire" Skinner Sweet auf das "land of the free" losgelassen haben, liefert auch das Kollektiv von "Cowboys & Aliens" eine reizvolle fiktionale Ausgangsidee: den Clash von Westmännern, Indianern und Außerirdischen. Dabei ist in der vorliegenden deutschen Ausgabe der Comicvorlage die im Arizona des Jahres 1873 angesiedelte Story ebenso zu vernachlässigen wie die wenig aufregenden, großteils wie liebloses Billig-Merchandising wirkenden Zeichnugen von Luciano Limas Magic Eye-Team (gelungenerer, kurzer Prolog von Dennis Calero). Im leidlich unterhaltsamen, unlängst auf deutschen Leinwänden angelaufenen Kinofilm mit Daniel Craig und Harrison Ford wird das Geschehen schon ansehnlicher inszeniert. Immerhin ist ein Startschuss abgegeben - für mutmaßlich spannendere Nachfolger auf Sci-Fi-Western-Crossover-Pfaden.
www.panini.de 

 

American Vampire 2

Panini


Der schrecklich untote Skinner Sweet beißt sich indes weiter unbeirrt durch die US-Historie. Auch ohne die Starthilfe von Bestseller-Ikone Stephen King darf man auf die Folge-Abenteuer des Vampir-Desperados schwer gespannt sein. Snyder und Albuquerque schicken Sweet diesmal ins Las Vegas von 1936. Noch ist die spätere Casino-Hochburg da nur eine verschlafene Ansammlung staubiger Hütten, doch der Bau der gewaltigen Hoover-Staumauer bringt alsbald Tausende von Arbeitern in die Wüste Nevadas. Nun sind Amüsement und weibliche Reize gefragt und Skinner wird sich in diesem Sündenpfuhl unzweifelhaft seinen Teil vom Kuchen abschneiden - obwohl er nicht der der einzige Vampir in der Stadt ist... Schnell nochmal die Nase in den gelungenen Auftaktband gesteckt: American Vampire 1. Das ganze auf deutsch - Band 2 jetzt neu bei Panini. www.paninicomics.de/american-vampire-2-i7505.html

 

KINO-TIPP




 
 
 

Reinhard Kleist - Havanna / Castro

 
 beide: Carlsen - REINHARD KLEIST CUBA-SPECIAL  
 

 

Zwei spezielle Tipps für Genre-Spätzünder und Kuba-Afficionados:

Reinhard Kleists (u.a. "Cash") bestechend bebilderte Reise nach Havanna von 2008 wurde noch im gleichen Jahr vom Carlsen Verlag in Buchform veröffentlicht. Kleists vielfältige Begegnungen mit den Bewohnern der pittoresk zerfallenden Karibik-Metropole sind hier in stimmungsvollen, rotbraun dominierten Bildern sowie schwarz-weißen Skizzen eingefangen und vom Autoren mit kurzen, persönlichen Texten ergänzt - ein einmalig gelungenes Reisejournal zwischen Mercado Negro, Granma-Lektüre, allgegenwärtigen revolutionären Wandgemälden und den alten Buicks und Dodge-Oldtimern auf den lärmigen Straßen. RKs Affäre mit der größten Karibikinsel war mit "Havanna" jedoch noch lange nicht ausgestanden: der nächste große Wurf folgte 2010.



Für die schwarz-weiß-gehaltene Graphic Novel "Castro" sicherte sich Kleist die Mitarbeit des preisgekrönten Journalisten und Castro-Biografen Volker Skierka (Vorwort und inhaltliche Beratung). Dem legendären "Maximo Lider" der Revolution rückte RK dann mit der Erfahrung seines oben beschriebenen Atmosphäre-Beutezugs in Havanna und Skierkas Expertise im Rücken zu Leibe. Mit bekannt-kraftvollem "Cash"-Strich näherte sich der Autor dem weltweit umstrittenen Revolutionär an und versuchte dessen bewegtes Leben, seine politischen Ideen und Ideale, aber auch manche kritische Folgen für die kubanische Gesellschaft auf knapp 300 Seiten zu bannen. RKs erklärter Traum ist es, eine Ausstellung seiner kubanischen Szenerien nach diversen Stationen in Deutschland endlich auch auf der Insel selbst zu präsentieren - noch zu Lebzeiten der hochbetagten & schwerkranken Ikone Castro. Auch wenn es derzeit für dieses Vorhaben nicht allzu gut aussieht, schmälert das nicht den großartigen Gesamteindruck des ambitionierten Doppelpacks.
www.carlsen.de/blog/reinhard-kleist