Reviews Pop-Rock 12-12

    * soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * x-mas *

     
     Donald Fagen - Sunken Condos  
     Reprise / Warner  
     

    "Good Stuff". Donald Fagen in bestechender Form, auch ohne Steely-Dan Compagnon Walter Becker, der an dem von ironischen Funk-Referenzen durchzogenen "Sunken Condos" anscheinend komplett unbeteiligt war. Beckers Kollaborationspart hat hier zum großen Teil Co-Produzent Michael Leonhart übernommen, der sich mit dem Meister (schon seit 1996) an diversen Tasteninstrumenten abwechselt und feine Parts am Minimoog & Vibraphon besteuert. Leonharts Frau Jamie und seine Schwester Carolyn sorgen (mit Catherine Russell) für die excellenten Background Vocals. Vier Jahre nach seinem dritten & vielleicht schwächsten (Konzept-)Solo-Album "Morph The Cat", aber nur kurze Zeit nach einer Periode regelmäßiger Live-Auftritte mit Steely Dan, hat Fagen wieder hörbar Spaß am Songformat. Die Tracks wirken bei aller kühler Raffinesse weder steril noch überproduziert, sondern entblättern sich erst nach und nach in vertrackter Schönheit, während der auch schon 65-jährige Fagen mit scheinbar altersloser Stimme sarkastisch über junge Frauen & alternde Hippies, sowie das Wetter in seinem Kopf räsoniert. Und auch die bei Fagen beliebten ubanen und maritimen Motive haben sich - diesmal besonders offensichtlich - niedergeschlagen. Aus der Unterwasserwelt des Covers (von Jeff Wack http://sensuousmuse.com) schimmert einer der zahlreichen überzähligen Wohntürme von Miami oder NYC. www.donaldfagen.com
     


     
     
     
    Producers - Made in Basing Street
    India - Big Lake / Rough Trade TIPP!
     
     
    Nochmal alte Herren (die es in sich haben). Die Mitglieder der sogleich in die Tradition der 70er Supergroups gestellten Producers haben allesamt ihre Schäfchen im Trockenen. Umso bemerkenswerter, dass "Made In Basing Street" (den Londoner Sarm Studios in Notting Hill) keine uninspirierte Abfolge von Zeug, das Lol Crème (10cc, Godley&Crème), Trevor Horn (Buggles,Yes), Stephen Lipson (Paul McCartney, Grace Jones) und Studiodrummer Ash Soan (Adele, Squeeze) noch nicht anderweitig haben unterbringen können. Ausgefeilte aber nicht zu Tode produzierte Tracks mit im besten Sinne altmodischer Songarchitektur überwiegen. Das eine oder andere Mal fühlt man sich an Yes in besseren Tagen, an 10cc oder Alan Parsons erinnert. Der hauptamtliche Sänger Chris Braide hat das Kollektiv bereits wieder verlassen. Ob Liveauftritte in naher Zukunft die Producers (u.a. mit "Video Killed The Radio Star" im Programm) bis nach Deutschland führen werden, bleibt abzuwarten. Play Track 5 "Every Single Night In Jamaica". www.producersmusic.co.uk

    Seeed

    Downbeat / Warner
    Seeed sind nach den beachtlichen Soloaktiivitäten der drei Frontmänner Peter Fox, Dellé & Boundzound wieder zu elft beisammen. Nun also das schlcht selbstbetitelte, aber aufwendig verpackte Triptychon-Digipak-Album. Der arg zusammengeschusterte Big Band Opener "Beautiful" enttäuschte schon als Vorabsingle, muß aber auch für eine Reprise am Ende des Albums herhalten. Und inbetween? Track 2 ist augenblicklich vergessen, die so-lala-Ballade an 3 lässt langsam Besorgnis aufkommen."Augenbling" bringt endlich, was man von den "Music Monks" erwarten konnte , die drei Sänger laufen hier erstmals zu alter Form auf. Der Track wurde folgerichtig als nächste Single ausgewählt (kickendes Video). Danach folgt die englisch gesungene Dellé-Reggae-Hymne "You & I" ("Elephants" im gleichen Muster ist dann überflüssig), "Seeeds Haus" hat man schon zwingender gehört, dann nur noch Ausfälle incl. des uninspirierten Black-Cover "Wonderful Life". Insgesamt recht wenig, trotz gut geölter Live- & Marketing-Maschine. Im März 2013 wird weitergetourt, dann kommen die Festivals. www.seeed.com 
     










    LIVE-TIPP

     
    Andy Burrows - Company / Rangleklods - Beekeeper
    Pias * Schönwetter Schallplatten / beide: Rough Trade
     

    Solo-Alben von Schlagzeugern haben spätestens seit Ringo Starr keinen allzu begeisternden Ruf. Der bei Razorlight zuzeiten vornehmlich als Drummer beschäftigte Andy Burrows überrascht daher - mit einem veritablen Singer/Songwriter-Album. "Company" kann als Beschreibung & Ergebnis der weit angelegten Aktivitäten von Burrows in den letzten Jahren gewertet werden, spielte & tourte er doch mit diversen Bands (u.a. We Are Scientists) und ließ sich auf Weihnachtsalben (Smith & Burrows) oder Soundtracks ("Johnny English II") hören. Die dabei gesammelten Erfahrungen gehen in das abwechslungsreiche, von Burrows mit Tim Baxter produzierte & exzellent arrangierte Album ein, aus dem hier aus Platzgründen nur das im positiven Sinne nach Westcoast klingende "If I Had A Heart" als eines der Highlights erwähnt werden soll. Play all tracks. Andy Burrows tourt noch bis zum 12.12. in Deutschland, in München kommt er am 7.12. ins Backstage.

    Rangleklods ist das Pseudonym des Kopenhagener Untergrund-Wizzards Esben Andersen, gerade von Arhus nach Berlin umgezogen. Wo er nun mit seiner Live-Partnerin Tikki Hasselriis Jensen vom gängigen Muster anderer Laptopkonzerte durch seine aktive Präsenz abweicht. Die erlaubt ihm u.a. ein selbstentwickelter Abstandssensor, mit dem das Verändern von Klängen per Handbewegungen möglich ist. Musikalisch ist es elektronisch, mit Referenzen vom 80er Sound à la Fad Gadget oder Blancmange, bis hin zu minimalistischen Referenzen an die 90er & beyond. www.rangleklods.com 
     
    TIPP & LIVE-TIPP

     
     Stars - The North / Race Horses - Furniture  
     Unter Schafen / Alive * Stolen - Pias / Rough Trade  
     
     
    Die neben Metric, Broken Social Scene & Arcade Fire international erfolgreichste kanadische Indiepopband bringt auch auf ihrem aktuellen Album "The North", das in Montreals RCA Victor-Studios aufgenommen und von der lokalpatriotischen Band um Evan Cranley & Amy Millan mit den Arcade Fire-Produzenten Graham Lessard & Marcus Paquin produziert wurde, erneut melodieselige, zuweilen etwas überzuckerter Kompositionen zuhauf, auf deren Breitwandsound sich auch hierzulande erstaunlich viele Kritiker einigen können. Play Tracks 1,3,4,5,9,
    Vom 10.-18.12. sind die Stars auf Tournee in Deutschland, abschließend im Münchner hansa 39. Check them out.
    www.youarestars.com

    Die Waliser Race Horses aus Aberystwyth wollten mit ihrem neuen zweiten Album etwas ausgesprochen Frisches fabrizieren, "one major rule, evth had to feel fresh". Wenn man sich dann auf Queen, Dexy´s Midnight Runners & Soft Cell als Inspiration beruft & dazu noch preisgibt, von Quincy Jones´ Produktionskniffs bei "Off The Wall" etc fasziniert zu sein, begreift der Hörer schnell, dass auf "Furniture" keine Innovationspreise einregnen werden. Natürlich gibt es schlechtere Vorbilder, aber kompositorisch hapert es noch bei den Anti-Hipstern Meilyr Jones, Dylan Hughes, Mali Llywelyn, Gwion Llewelyn & Daniel Bradley. Immerhin arrangieren sie selbst und das meist ordentlich, doch der Verzicht auf einen Produzenten scheint fragwürdig - nicht nur bei "See No Green" hätte es vielleicht doch einer ordnenden Hand bedurft). Play Track 7. www.racehorsesmusic.com
     

     
     
     Martha High & Speedometer - Soul Overdue /
    Hannah Williams & The Tastemakers - A Hill of Feathers
     
     Freestyle * Record Kicks / beide: Groove Attack  
     
     
    Ladies & Gentlemen, James Browns "Summertime"-Duettpartnerin: Martha High aus Victoria, Virginia war über 30 Jahre beim Godfather of Soul, als Backgroundsängerin in Diensten, der auch 1979 ein Solo-Album mit ihr produzierte. Weitere Stage-Erfahrungen braucht es nicht, möchte man meinen, aber Martha hat mit weiteren Legenden von Little Richard & Jerry Lee Lewis über Aretha Franklin, Ray Charles oder Patti La Belle bis hin zu Stevie Wonder, Michael Jackson & Prince auf der Bühne gestanden. Wow. Seit dem Jahr 2000 ist Martha High mit Maceo Parker, sowie mit eigener Band unterwegs. Mit der britischen Formation Speedometer von Bandleader & Co-Produzent & Komponist Leigh Gracie und den Voxettes im Rücken zieht Ms. High nun auf "Soul Overdue" erneut alle Funk-, Rhythm & Blues- & Soul-Register bei Standards wie "I´D Rather Go Blind" oder "Sunny", Songs von Gracie, Marvin Gaye, Aretha Franklin oder ...James Brown.
    Gute Gospel-Schule. Hannah Williams, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen texanischen Sängerin, ist die neue Entdeckung der Mailänder Funkster bei Record Kicks. Die im Kirchenchor ihres Vaters aufgewachsene, von Kolleg(inn)en wie Sharon Jones, Charles Bradley oder Craig Charles hochgelobte Wuchtbrumme bringt am Mikro alles mit, was es für eine energetische Soul-PerformanceI braucht. 4 Jahre nach dem Zusammentreffen mit Tastemakers-Bandleader Nicolas Hillman Mondegreen an der University of Winchester, wo Hannah als musikalische Direktorin diverse Chöre leitet. "A Hill Of Feathers" bietet von Uptempo-Funk ´n Soul bis zur Ballade alles, was die Herzen von Deep Soul-Fans höher schlagen lässt. Derzeit in Italien live unterwegs, im nächsten Jahr dann sicher auch hierzulande...
    www.facebook.com/hwtastemakers
     

     
     
     Lavender Diamond - Incorruptible Heart / Linnea Olsson - Ah!
    Poppy Aykroyd - Escapement /
     
     Rykodisc / Warner * Götterfunk * Denovali / beide: Cargo  
     
     
    1"Her (Frontfrau Becky Starks singing is one of the Indie world´s most joyful noises." Das gilt nun aber auch nicht für jeden Gehörgang, lieber Waschzettel. Lässt man(n, der Rezensent) sich Tracks wie das bassunterlegte "I Don´t Recall" oder das Uptempo-Stück "Light My Way" noch gefallen, ist es des Guten zuviel, wenn `just passing by´ sich auf `clouds in the sky´ reimen muss und `love the beginning & the end´ ist, in Bombast-verhallter, (gefühlter) Endlosschleife. "Oh my beautiful world" ist gräßlich. Kitschalarm. Textlich & musikalisch polarisierend. www.lavenderdiamond.net 2 Die aus der Zusammenarbeit mit Ane Bruns bekannte Schwedin Linnea Olsson, die auf dem Cover von "Ah" ihr Instrument durchs Watt bugsiert, erhielt seit ihrem 6.Lebensjahr Cello-Unterricht, begeisterte sich dann aber eher für Björk & die Committments.Das Cello bleibt in den feinen Arrangements ihrer echoverliebten Songs wichtigstes Stilmittel, neben Olssons ebenfalls bemerkenswerter Stimme. www.linneaolsson.net 3 Auf Poppy Aykroyds "Escapement" mussten wir bis nach Redaktionsschluß warten, bleibt die kurze Erkenntnis: empfehlenswertes, introspektives Album der klassisch ausgebildeten Künstlerin aus Edinburgh. www.poppyaykroyd.com  

     
     
     Lukas Graham  
     Island / Universal  
     

    Nr.1-Platin-Jungs aus Kopenhagen. Die dänische Band um ihren Frontmann Lukas Graham Forchhammer steuert mit von dessen hoher Stimme geprägtem "Ghetto-Pop", locker groovendem Piano, eingestreuten Balladen und Machotexten eine Position irgendwo zwischen Jamiroquai und Jamie Cullum an. Obwohl in bester skandinavischer Pop-Export-Tradition durchgängig auf englisch gesungen wird, ist dem über das Internet schon vor dem ersten Album mit ausverkaufter Tournee durchgestarteten Newcomer-Kollektiv die eigene Herkunft wichtig. Das verkaufsfördernde Cover (vom Künstler Lars Helweg) mag kalkuliert erscheinen, hängt aber eben auch genauso im Café Wilder in Christianshavn & beim sonstigen Artwork hat Carpark North-Kollege Lau Højen ausgeholfen.
    www.facebook.com/LukasGraham 

    Bernadette La Hengst - Integrier mich, Baby

    Wolfgang Müller - Über die Unruhe

    Trikont * Fressmann / beide: Indigo

    Liebe & Politik. Im Oktober und November ist La Hengst wieder fleißig durch die deutschsprachigen Lande getourt. Im Gepäck das aktuelle Album "Integrier Mich, Baby", das wieder das Private im Politischen (und umgekehrt) auf großteils unterhaltsame Weise im Pop-Kontext vorführt. Ihren treuen Fans wird es reichen, wenn BLH (u.a. mit Rocko Schamoni im Duett) über bedingungsloses Grundeinkommen, kreative Depression und Liebe im öffentlichen Raum singt. Auch wer von der visuellen Verpackung (Volker März) eher genervt ist, wird die Qualität des starken Openers "Deine Eigene Art", mit kleinen Abstrichen auch des Titelsongs konstatieren. Danach wird es bzgl. Song & Text leider sehr meist weniger zwingend. www.lahengst.com

    Weniger Chanson, mehr Folk. Drei Jahre nach "Gegen den Sinn" das gerade auf einer Hamburger Relaseparty präsentierte, dritte Studioalbum von Wolfgang Müller. Über Crowdfunding (startnext.de) auf seinem eigenen Label Fressmann ermöglicht, bieten die Songs auf "Über die Unruhe" vornehmlich poetische Liebestexte, die sich mit Müllers beiläufigem Vortrag und der meist eher sparsamen Instrumentierung ganz gut verträgt. Starker Einstieg, auf Albenlänge gibt es dann einige Wiederholungen. Play Tracks 1-3. Ende Januar, Anfang Februar geht Müller erneut auf Tour. www.mueller-musik.de
     








     
     
     
    Hans Söllner- SoSoSo / Neigungsruppe - Loss Mas Bleim
    beide: Trikont / Indigo
     
    Vom Söllner Hans gibt es nach der kürzlichen "Mei Zuastand"-Bestandsaufnahme wieder etwas Neues zu melden. Mal mit seinen Bayman Sissdem-Mitstreitern, mit denen er einst dem Alpen-Reggae auf die musikalische Landkarte gesetzt hat. Der gemeinsame Apell "Ganja" kommt dem bayrischen Rebell dann nicht nur aus dem Herzen, sondern ist auch saukomisch, wenn der Söllner mit dem Tod erstmal einen durchzieht. Sonst ist das Klangbild auf "SoSoSo" eher das eines Liedermacher-Albums in Manier des frühen Dylan - nur mit Gitarre & Mundharmonika. Eines, das es weiter in sich hat, wenn Söllner zur Gitarre in "Ihr Seids Alle Gleich" oder "Durch Eua Politik" gegen die üblichen Verdächtigen und anderes Pack vom Leder zieht.

    Fritz Ostermayer, David Pfister, Robert Zikmund & Christain Fuchs haben fertig. Die sich zu Trash, Alkoholismus, Pathos, Melancholie, Rant global und Lament lokal bekennenden FM4 Moderatoren der Neigungsgruppe Sex Gewalt und Gute Laune fallen trotz Kritiker- und Publikumszuspruch doch um und lassen´s demnächst bleiben. Anders als Laibach, die den Wienern u.a. beim "Leit It Be"-Covern zuvor gekommen sind (und inkonsequenterweise weitermachen). Vorher noch dieses Album. Sieben eigene Songs (viel für eine als Coverband gestartete Combo), Cover von Nirvana-, Lou Reed & Ludwig Hirsch galt es noch abzuliefern. Lana del Reys einziges essentielles Stück wird zu Schatzis todessehnsüchtigem "Video Spü". Vielleicht macht sie ja doch irgendwann weiter, die gewesene Band.
    www.trikont.de
     

     
     Previous Issue: 10/11- 2012 © cinesoundz 2012

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