reviews 28 - 8-9 06 - world music

    world music :

    * soundtrack * filmmusic * pop/rock * catalog * jazz * electronica * world * audiobook *

    Ali Farka Touré - Savane
    World Circuit / Indigo

    Das letzte Soloalbum des Mali-Blues-Virtuosen Ali Farka Touré. Der zuletzt zurückgezogen auf dem Land residierende Gitarrist und Sänger hatte es noch kurz vor seinem Krebs-Tod im Frühjahr des Jahres fertiggestellt (und selber als seine beste Platte bezeichnet). "Savane" wird geprägt durch traditionelle Arrangements, in denen das Wechselspiel von Tourés Gitarre und anderen afrikanischen Saiteninstrumenten wie der Ngoni-Laute besticht. Tourés minimalistische Roots-Musik verdeutlicht die Wurzen des Blues und damit der gesamten amerikanischen Musik-Historie - Niger und Mississippi fliessen miteinander, der Farmer mit einem letzten grossen Roots-Statement, begleitet von Musiker-Grössen aus seiner unmittelbaren Umgebung, Bassekou Kouyate, Mama Sissoko oder Fanga, aber die Verbindung zur Aussenwelt wurde nicht gekappt, auch Saxophonist Pee Wee Ellis & Percussionist Fain S. Duenas von Radio Tarifa waren bei den Aufnahmen für das mobile World-Circuit-Studio von Nick Gold dabei.

    Rio Baile Funk - More Favela Booty Beats
    Various Artists - Essay / Indigo

    Hymnisch im Intro & Outro, regieren hier im Übrigen ein weiteres Mal die trockenen, harten repetitiven Beats mit den dazugehörigen dreckigen Raps und mehr geschrieenen als gesungenen Vocals der Favela. In Rio und Sao Paulo inzwischen neben anderen Musikstilen etabliert, tut sich der Baile Funk hierzulande noch schwer, wie übrigens der im verwandte Street Style Reggaeton. Sobald globale Stars und ihre Produzenten Ideen-Nachschub brauchen und auf Spurenelemente auch dieser Sound Systems von der Strasse zurückgreifen werden, mag sich dies ändern. Wenn nicht wie Track "Japonesa" mal die Klangfarbe variiert wird, wird es abseits der Slums schnell anstrengend mit der Hörbarkeit in den eigenen vier Wänden zuwenig musikalische Ideen stecken in diesen rausgerotzten Audio-Graffitti. Beim Battle zählt das weniger, wer also dennächst auf Favela-Gangster machen will, ist mit einem schrägen Sample schon König in Favela-Country - das neben dem Pferdewiehern in Track 9 hört sich verdammt nach Hui Buh an...?

    Beyond Istanbul - Underground Grooves of Turkey
    Trikont / Indigo

    Bereits als Fatih Akins Road Movie "Im Juli" sich 1999 auf die Reise nach Istanbul machte, half Cinesoundz mit, das außergewöhnliche Album "In The Buzzbag" der Brooklyn Funk Essentials und ihrer Begegnung mit dem türkischen Fol-Jazz-Ensemble Laco Tayfa in Deutschland zu veröffentlichen. Seitdem sind die Releases des türkischen Doublemoon Labels eine Bank im Bereich moderne World Music. Akin verfolgte das sich auftuende musikalische Universum mit seiner Doku "Crossing The Bridge" konsequent weiter, die auch das Feld für den vorliegenden Sampler der verdienten Kreuzberger Lesben-Aktivistin & DJane Ipek Ipekcioglu (u.a. Berliner SO 36) bereitete. Folgerichtig gibt es einige Überschneidungen bei den Acts, die auch sachte darauf hindeuten, daß der so griffige Titel des musikalisch vielseitigen, mit dreisprachigen Liner-Notes ausgestatteten Samplers etwas irreführt. Die Wiener Acts Dzihan & Kamien sowie der ihnen assoziierte Cay Taylan, die obengenannte Koop Brooklyn Funk/Laco Tayfa, Baba Zula, Popsternchen wie Nil K. oder Göksel, Burhan Öcal oder Emel Sayn einem wie auch immer verstandenen Untergrund zuzuordnen, greift bei diesen Künstlern aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht. Und auch den lobhudlerischen "Musikhistan"-Zusatztext des Essayisten Kenan Zöngör im Booklet hätte Trikont nicht nötig gehabt. www.djipek.com
     





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    Kevin Johansen & The Nada - City Zen
    Wrasse / Harmonia Mundi

    Für den in Argentinien lebenden US-Amerikaner gilt "Mixture is the Future". Mit seinem mühelos zwischen beiden Sprach- und Kulturräumen wechselnden Stilmix gilt das in jedem Fall : amerikanische Popmusik auf der einen, Milonga, Tango & Bossa Nova auf der anderen Seite bilden keine Gegensätze, sondern ergänzen sich erfolgreich bis hin zu diversen Latin-Grammy-Nominierungen. Vorbote für die neue integrierte amerikanische Gesellschaft? Kevin Johansen verbreitet mit seinem neuen Album, dass er mit seiner Band "The Nada" aufgenommen hat "City Zen", u.a. vom Dach eines der Busse der wichtigsten Buslinie von Buenos Aires, wie auch auf dem Cover zu betrachten ist. Johansen hat direkt im Anschluss an den Albumrelease im Juni eine erste kleine Deutschland-Tournee absolviert, sicher nicht sein letzte.
     

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    Rodrigo Y Gabriela - rodrigo y gabriela
    Rubyworks

    Rodrigo und Gabriela, das dynamische, ständig auf der Suche nach erweiterten Ausdrucksmöglichkeiten auf ihren Instrumenten befindliche mexikanische Gitarren-Pärchen mit Heavy-Background, das seinen Trademark-Sound als Strassenmusiker in Dublin entwickelte, haben sich für Cover & den Opener ihrer aktuellen Cd von einem südmexikanischen Krokodil- und Naturschützer namens "Tamacun" inspirieren lassen. Das selbstbetitelte Album incl. "Stairway To Heaven"-Coverversion wurde in Bath von John Leckie (Radiohead, Stone Roses, Muse) produziert. Es gibt die normale, sowie eine limitierte, wohl mittlerweile bereits vergriffene Fassung für Die-Hard Fans mit beigepackter Bonus DVD (featuring Interviews, Live Performance, Tutorial und Photo-Gallery).
    http://www.rodgab.com http://www.rodgab.com/home.html

    Go Lem System - Caceria
    TripSongs / Galileo Music

    Die in Barcelona residierenden Argentinier Go Lem System präsentieren auf ihrem neuen Album "Cacería" erneut einen exclusiven, mit Manu Chao aufgenommenen Song, der deutlich die Handschrift ihres alten Weggefährten trägt. "Calle Go Lem" wurde bereits in der Sparte "Bester Filmsong" als Teil des Soundtracks zum Film "Princesas" von Regisseur & Autor Fernando León de Aranoamit dem "Goya" - dem spanischen "Oscar" - ausgezeichnet. Beste Startvoraussetzungen damit auch für die restlichen 13-Latino-Reggae & Mestizo-Songs, die unterhaltsame Vielfalt so dicht am Sound Manu Chaos bieten, daß sie die Wartezeit bis zur nächsten regulären Cd des Rey do Barcelona problemlos verkürzen, allein die Vocals haben etwas weniger Wiedererkennungswert.
    www.golemsystem.com Live-Mitschnitt auf www.radiochango.com

     
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    Nesrin Sipahi - Sharki
    Times Square - Silva Screen / Edel


    Populäre Musik aus der Türkei (s.o.) steht mitlerweile auch hierzulande hoch im Kurs, so daß ein Blick auf die Wurzeln nicht schaden kann. Grund genug jedenfalls für das Silva-Screen-Unterlabel Times Square, zwei unter Regie von Kurt Renker und Walter Quitus in Istanbul im Jahr 1991 entstandene CMP-Aufnahmen wiederzuveröffentlichen. Die Sängerin Nesrin Sipahi gehört seit ihrer ersten LP aus dem Jahre 1957 zu den grossen Sängerinnen der türkischen Klassik. Das Begleit-Ensemble des Ney-Bläsers Kudsi Erguner ist zudem weltweit populär. Zum Titel : Das Ottomanische Reich erführ im 18Jh. eine Form der "Europäisierung". "Sharki" bezeichnet die sich daraus entwickelnde Liebes-Dichtkunst, weitere Informationen zum Repertoire und den Komponisten Bey, Ozbekkan & Dede finden sich in Erguners Liner Notes.

    Gazel - Classical Sufi Music of the Ottoman Empire
    Times Square - Silva Screen / Edel

    Auch hier begleitet das obengenannte Kudsi Erguner Ensemble das Gesangstrio Yusuf Bilgin, Fevzi Misir und Aziz Bahriyelli , allesamt Meister des klassischen Sufi-Gesanges. Ebenfalls im Jahr 1991 von Kurt Renker und Walter Quitus für CMP Records Istanbul produziert und mit Erguners Liner Notes zum geschichtlichen und kompositorischen Hintergrund eine für westliche Hörer öfters fordernde, nichtsdestotrotz interessante Ausgrabung für Anhänger islamischer Mystik - die es durchaus in erklecklicher Anzahl, natürlich vor allem innerhalb der aus der Türkei in mehreren Generationen zugewanderten Bevölkerungsgruppe gibt - ein Markt, der bisher von Direkt-Importen meist magerer Qualität abgedeckt wurde (was wohl so bleiben dürfte: hier fehlen türkische oder arabische Liner Notes...)
     

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    Amsterdam Klezmer Band - Remixed
    Various Artists - Essay / Indigo

    Die siebenköpfige Amsterdam Klezmer Band hat in den letzten zehn Jahren stetig an Popularität gewonnen. Das Trio begann in den Strassen der holländischen Metropole, es folgten Bars und grössere Venues, auch im Ausland, begleitet von einer Öffnung gegenüber neuen Einflüssen und Produktionstechniken. Ein nächster logischer Schritt (womöglich auch der Besinnung) ist vorliegendes Remix-Projekt: Neben einigen holländischen DJs legten Stefan Schmid (Zuco 103), Yuri Gurzhy (Russendisco) oder Stefan Hantel (Shantel), eh schon mit der Masterie vertraut, Hand an und verbanden osteuropäischen Klezmer mit ihren Ideen, so daß ein weiteres Album in Bukovina-Club-Tradition herausgekommen ist. Balkan-Gebläse, russischer(!) Rap, Rhythmuspattern & Dub, bis hin zum großen Theater, daß La Boutique Fantastique veranstaltet.
    www.amsterdamklezmerband.nl

     

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    Roots Tonic Meets Bill Laswell
    Roir / Cargo

    Dem ersten deutschen Auftritt von New Yorks neuem Hasidic Reggae-Star Matisyahu beim Chiemsee Reggae Festival Ende des Monats blickt man mit Spannung entgegen, gerade wurde ja die erste Studio CD des zum orthodoxen Judentum konvertierten Ex-Dreadlock-Hippies Matthew Miller auch bei uns veröffentlicht. Jetzt gibt es einen weiteren interessanten Release in diesem Zusammenhang: Millers/Matisyahus Backing Band Roots Tonic hat sich für eine "Futuristic Dub Transmission" Prduzenten-Legende Bill Laswell anvertraut: Heraus kommt natürlich eine Fusion aus viel Dub und ein paar Psychedelic und Jazzelementen. Josh Werner (bass), Aaron Dugan (guitar) und Jonah David (drums) behaupten sich aber durchaus, das Trio schreibt schließlich auch die meisten Songs des neuen New York-Hypes mit Hut & langem Bart. Check out the hype, soon at http://www.chiemsee-reggae.de/
    Recommended listening for all dub-heads. www.matismusic.com
     

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    Trojan Selecta - Volume 3
    Various Artists - Trojan / Sanctuary

    Nun bereits die dritte Folge der von Trojan als "cool-priced" bezeichneten Budget-Reihe, gespickt mit Appetizern aus dem Katalog-Spektrum - diesmal regiert der DUB - mit Künstlern wie Pama International (starker Einstieg), Lee Perry als "Jungle Lion" und "Mad Man Dubwise" mit dem Mad Professor, King Tubby, Desmond Decker, Tapper Zukie und - wieder mal den Heptones. Die Originalcover und Querverweise auf andere aktuelle Compilations sind im Booklet abgebildet, so gehört sich das. Well done, selecta people. Play Tracks 1, 4, 5, 6, 8, 9, 11.
    www.trojan-records.com
     

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    Motor City Reggae
    Bob Marley Covers
    Various Artists - Trojan / Sanctuary

    Trojan-Boxenstopp-Time again: Während 50 Versionen von Stücken des bekanntesten Reggae-Künstlers überhaupt nicht verwundern werden, haben die Kompilatoren (Laurence Cane.Honeysett, Text von Lois Wilson vom MOJO Magazine) auch Motown-Song-Versions in gleicher Anzahl ausfindig gemacht und in eine weitere Box gefasst - natürlich war Motown eine große Inspiration für den aufstrebenden Sound of Jamaica, siehe Heptones, Peter Toshs "Don´t Look Back" etc... In Phrasierung und Atmosphäre kommen die meisten der Marley-Cover-Versuche , die John Masouri ausgewählt und beschrieben hat, nicht an die Interpretation der Ikone heran, ob es Marley-Kompositionen oder nur von ihm bereits gecoverte Standards handelt, das dürfte keine Überraschung sein, der Vergleich lohnt dennoch allemal. Ausnahmen & Highlights: Pluto Shervingstons muntere "Natty Dread"-Fassung (auch der folgende, "Mr. Big" betitelte Dub oder Jacob Miller & Inner Circles Version sowie deren funky "I Shot The Sheriff" sind nicht schlecht), Delroy Wilsons "I´m Still Waiting" oder Jackie Edwards mit "So Jah Seh". Zum Beispiel bei Horace Andys "Natural Mystic" oder einigen Tracks der Motown-Sammlung schwächelt die Klangqualität wieder mal, aber aber wir wissen ja, wo das (Vinyl-)Ausgangsmaterial teilweise herkommt - from the rocky roads of Dubplate-Country. Auch die Motown-Tracks haben öfter im direkten Vergleich mit den aus Motor City kommenden Soul-Klassikern das Problem weniger guter, sich oft im Falsett abmühender Vokalisten. Delroy Wilson, Ken Boothe gehört nicht dazu, auch Norman Browns "Just My Imagination" oder Cornell Campbells "Wherever I Lay My Hat" gehen in Ordnung - eine verdienstvolle Sache, auch Box Nummer zwo.

     

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    Iran / Malaysia / West African Gold
    Various Artists - Rough Guides / World Music Network / Edel

    Die Rough Guide Serie vom World Music Network mit weiteren drei Folgen: "Iran", "Malaysia" und "West African Gold".
    Während erstere beide vor allem neuere Stücke aus diesen musikalisch bei uns noch nicht sehr präsenten Regionen präsentieren, widmet sich die dritte Klassikern der westafrikanischen Musik von den 50ern bis in die 80er Jahre - Rough Guide erweitert sein Spektrum in die Musikhistorie hinein und erschliesst damit weiteres, weites Terrain.
    Iran hat Sufi-Klassik, Pop,Traditionelles und Musik der Armenier zu bieten, Malaysia lockt mit Bollywood-ähnlichen Filmschlagern,Ghazal-Liebesliedern und den Malay-Pop-Ausflügen der japanischen Ikone Sandii. Ghana,Senegal, Mali, Guinea, Sierra Leone und Nigeria bergen die reichsten afrikanischen Traditionen und öffneten sich ab den 50ern auch den Einflüssen westlicher & karibischer Populärmusik - folgerichtig ist die Auswahl aus den zahlreichen Klassikern hier besonders schwer - die CD darf als Appetizer verstanden werden und ist als solcher zum Einstieg zu empfehlen, auch wenn es des bereits hinlänglich bekannten Orchestre Baobab an dieser Stelle vielleicht nicht bedurft hätte - zumal mit diesem Track.
    Wie immer sind die Cds nicht nur mit kenntnisreichen Liner-Notes zu jedem einzelnen Track, sondern als Enhanced Cds auch mit Text-Infos aus den jeweiligen Rough Guides & Interviews mit den Compilern als Bonus-Material ausgestattet. www.worldmusic.net/radio ist das hier wie stets empfohlene (Internet-)Radioprogramm, das monatlich neu die Rough Guides Radio Show mit Interviews, regionalen Specials und natürlich ähnlich exquisit ausgesuchter Musik wie auf den
    Cds der Serie bietet. Rough it into rich & unexplored areas...
    Play tracks 2, 8, 10, 11 (Iran) 1, 3, 11, 13, 15 (Malaysia) 1, 2, 4, 7, 10 (West Africa)

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