Chiemsee Reggae Summer ´05 txt
11.Chiemsee
Reggae Festival ´05 - (Drogen)Sumpf in
Übersee...
Eigentlich
das schönste Reggae-Festival im deutschsprachigen Raum, der
Chiemsee
Reggae Summer in Übersee/Chiemgau - mit seiner einzigartigen
Atmosphäre zwischen Alpen-Panorama und Rastafari-Gelassenheit. Wenn sich
morgens die Kuhglocken der umliegenden Bauernhöfe mit den ersten sanften
Reggaewellen aus dem Tal mischen, geht meist auch wirklich die Sonne auf. Zumal
man nach Jahren unerbittlicher Regenfluten im deutschen Juni schon seit einiger
Zeit im meist sonnefesten Spätaugust angekommen ist...Das Warming up auf dem
leider charmefreien Chiemsee-Charter-Dampfer und der musikalisch beste erste
Festivaltag fanden denn auch noch bei schön warmem Sommerwetter statt, aber in
der Nacht zum Samstag kam der Regen nach Übersee und verwandelte die eh schon
weiche Chiemgau-Wiese in eine seit der CRS-Verlegung nicht mehr gesehene
Schlammwüste.
Die
Festivalcrowd ließ sich nicht verdriessen, harrte unter erschwerten Bedingungen
in der aufgeweichten Camping-Zeltstadt aus und begrüsste noch die Sonntagsacts
wie den Tourismus-Beauftragen Jamaikas, Macka B, die House of Riddim-Family
feat. Jahcoustix oder die braven
Gladiators auf der Hauptbühne mit warmem Applaus. Die für die I-Threes
kurzfristig gebuchte Dancehall-Queen Lady Saw gewann das Duell gegen
eine gelangweilte Dawn Penn um Längen, während vorher das
Reggae-Experiment eines halbstündigen Sets der abgespeckten Blue Man Group im
Zelt begeistert aufgenommen wurde.
Highlight
am Samstag, als das Schlamassel losging, war eindeutig die sizilianische
Bläser- und Shouter-Truppe Aretuska, angeführt vom slicken Kugelblitz Roy
Paci, der als optische Mischung zwischen Javier Bardem und Lino Ventura mit
den partyaffineren Tracks seines dritten Albums auf der grossen Bühne
brillierte. Zwei Mitglieder der Gang gerieten nach dem fetzigen Auftritt wegen
eines Joints und ein paar für Dope gehaltenen Schlamm(!)-Krümeln mit als Freaks
getarnten Zivi-Drogen-Ermittlern aneinander und Paci macht seinem Ärger über
die Dezimierung seiner Band vor der versammelten Journaille deutlich Luft (s. Roy Paci- Interview tba)
Auf
die Polizeipräsenz und die mangelnde Untergrundpräparierung hin wurden denn
auch die zur Abschlusspressekonferenz angetretenen CSU-Lokalpolitiker von der
diesmal von jeglichen Ermässigungen ausgenommenen und daher eh nur mässig
aufgelegten Reggae-Fan-Presse gegrillt, bis das aufgrund von Technikproblemen
und Querelen mit Getränkesponsoren eh leicht genervte Presseteam mässigend einschreiten
muste. Fürs Wetter kann schliesslich nicht mal die CSU was.
Aus
der abendlichen Samstags-Nebel-Landschaft im Tal stiegen abwechselnd noch die
Klänge der schon beim PLUS in Garching gutgelaunt agierenden Babacools
und des ausdauernden Patrice in die Höhen der Glücklich-Trockenen, die
eine Bauernhof-Unterkunft dem Campingplatz vorgezogen hatten, bis der
Hauptbühnen-Flop-Headliner Sean Paul und BBC-Reggae-DJ David Rodigan
den zweiten Festivaltag auf der von einem Colabrausenhersteller gesponsorten Zeltbühne
beschließen durften.
Die
Stärke des Festivals, seine Offenheit an den
musikalischen Rändern, zeigte bereits der Freitag mit seiner Bandbreite an
Stilen, die hier inzestuöses Kochen im eigenen Saft verhindern: neben Roots-
und konventionellem Pop-Reggae, eben glücklicherweise auch Ska, Dub,
Raggamuffin, Latin-Funk, Afro-World Music oder Hip-Hop.
Die Eröffnung mit der gutgelaunten Batucada-Polonese
der Latin-Combo Ozomatli durchs Publikum und den durch die
Zusammenarbeit mit Manu Chao dynamiserten blinden Mali-Griots Amadou &
Mariam hatte hingehauen - für seine stimmlich nicht auf der Höhe
befindliche Partnerin legte Amadou extra Verve in sein angenehm altmodisches
Gitarrenspiel. Im Zelt musste bei konstant schlechtem Sound Deutschlands
dienstälteste Reggae-Band, die Dub Invaders noch um ihr Publikum
kämpfen, während die Münchner Jamaram mit ihrer wilden Partymischung ein
Heimspiel hatten. Der verhaltensauffällige Hannover-Prinz Ernst August gab den
Stargast und holte sein Feuerzeug für Jimmy
Cliff raus, vielleicht war ja auch deswegen soviel Grün am Start.
Der Festival-Hammer aus Rezensentensicht der
nächtens den Freitag beschliessende 80´s Old-School-Hip-Hop-Gig von DJ-Legende Afrika
Bambaataa, der massig und cool hinter seinen Playern und einem Laptop
thronend Bühne & Dynamik den Projektionen und drei die Crowd mit
atemberaubend-halsbrecherischen Skills herausfordernden Breakdance-Artisten
überliess. Amen
Ra of Hip Hop, Father of the Breakbeat Squad, Godfather of Zulu Nation – Wham!
Slam! Thankyou Bam!