reviews 2-08 jazz

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Huong Thanh & Nguyên Lê - Fragile Beauty
 
 ACT / Edel
 
 
 
"Fragile Beauty" ist das vierte Album des vietnamesischen Duos Huong Thanh & Nguyên Lê und ein weiteres Beispiel für das hohe Potential, was spannenden Zusammenarbeiten aus den Bereichen Jazz und Weltmusik innewohnt. Wieder werden alte vietnamesische Melodien von Lê zu Steilvorlagen für Jazz-Edelrecken wie Paolo Fresu und Renaud Garcia-Fons umgeformt, der exotische Gesang von Huong Thanh schwebt über den Arrangements, die auch japanische Koto (Mieko Miyazaki) und afrikanische Percussion beinhalten. Thanh ist als Tochter eines der bekanntesten Sänger des Neuen Vietnamesischen Theaters (Cai Luong) wie Lê ein "Kind der Diaspora", beide leben und arbeiten seit längerem in Paris, wo das sehr empfehlenswerte Album auch im Studio Louxor aufgenommen wurde. Produziert von Nguyên Lê unter Oberaufsicht von Labelchef und Executive Producer Siggi Loch.  

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 Kronos Quartet - The Cusp of Magic
 
 Nonesuch – Warner
 
 
 
Ein weiteres willkommenes Crossover-Album aus dem Hause Kronos. Mit The Cusp of Magic (in etwa zu übersetzen als: "magischer Scheitelpunkt") setzt das in San Francisco wohnhafte Quartet die langjährige Zusammenarbeit mit dem großen Minimalisten Terry Riley fort. Sowohl Quartett als auch Komponist sind in Nord-Kalifornien ansässig und seit den Siebzigern hatte Riley immer wieder Streichquartette für Kronos geschrieben. Beispiele sind die "Salome Dances for Peace" (1989) oder "Sun Rings" (2002), welches von der NASA in Auftrag gegeben wurde. Das aktuelle Werk erscheint zu Rileys 70. Geburtstag und wurde mit Wu Man, der international bekanntesten Pipa-Virtuosin eingespielt. Im Wechselspiel mit den vier Streichinstrumenten entfaltet sich denn auch insbesondere in den chinesischen Schlafliedern ein somnambuler Reiz, der allein schon die Anschaffung lohnt und eine Ergänzung des bisherigen Kronos-Kataloges darstellt.
 

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 Gilad Atzmon & the Orient House Ensemble - Refuge
 
 Enja – Soulfood
 
 
 
Der israelische Essayist, Klarinettist und Saxophonist Gilad Atzmon (Jahrgang ´63) bringt auf "Refuge" erneut zusammen, was sich angeblich nicht vereinen lässt: In der Kombination von jüdischer und orientalischer Folklore, Balkanklängen und Tangomelodien, Bebop-Virtuosität und groovenden Jazzbeats meint man, auch ein akustisches Abbild seiner zerrissenen Heimat zu vernehmen. In ruhigeren, lyrischen Passagen leuchtet dann etwas wie die Sehnsucht nach der verloren gegangenen Schönheit Israels auf. "Frieden ist nirgendwo" meint Atzmon, der sich oft pointiert zur Weltpolitik und zum Verhältnis von Jazz und Politik geäussert hat. Jazz nicht als Spieltechnik, sondern als Geisteshaltung. "Refuge" ist Atzmons jüngster musikalischer Kommentar zu einem der Brennpunkte der heutigen Welt und die Beschäftigung über die volle Spielzeit wert.
www.gilad.co.uk www.myspace.com/orienthouse
 

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 Paul Brody´s Sadawi - For The Moment
 
 Tzadik – Cargo
 
 
 
John Zorns New Yorker Tzadik Label erweitert seine Serie "Radical Jewish Music" um ein weiteres Album des mittlerweile in Berlin angekommenen Trompeten-Performers Paul Brody und seiner fünfköpfigen Band Sadawi. "For The Moment" ist erneut eine wilde Synthese aus Klezmer und Jazz. "Früher erkannte ich jüdische Musik vor allem in den äußeren Eigenschaften des Klezmer: Triller, Schleifen und Verzerrungen. Doch Innen ist noch etwas Anderes. Dann habe ich alles weggelassen, von dem ich dachte, es bedinge diesen Stil." sagt Brody über seine stets interessante Mixtur, die auch Rock- und Groove-Elemente beinhaltet. Anspieltipp: Track 2, 5 oder 7. Zorn fungiert als Ko-Produzent und springt auf einem Track als Alt-Saxophonist ein.

www.paulbrody.net
 

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 Juliana Aquino - Disco meets Bossa
 
 peacelounge recordings – Alive
 
 
 

In letzter Zeit wurde es ja etwas übertrieben auf der Bossa-Cover-Schiene. Zunächst also Skepsis bei einer Produktion, die nun anglo-amerikanischen Discohits der späten 70er und auch der frühen 80er Jahre eine gehörige Portion brasilianisches Flair einhauchen soll. Juliana Aquino aus Bahia hat im Team mit ihrem Produzenten & Ehemann Tuta Aquino ( Madonna, Janet Jackson, Duran Duran) u.a. "Stayin' Alive", "Don't Leave Me This Way", "On The Radio", "I´m Every Woman" oder auch "Love Is In The Air" (als Duett Wilson Simoninha) an die Copacabana verfrachtet, auch das unvermeidliche "I Will Survive" erklingt a la Bossa. Manches davon wirkt nicht gerade übersprühend vor Ideen, auch Aquinos Intonation ist solide, aber in keiner Weise stimmlich herausragend. Dennoch wird "DmB" wohl als neues Konsensalbum demnächst viele Eigenheime beschallen. Zudem hat man in Frankfurt wieder die guten Drähte zu Amazon glühen lassen und bietet exclusiv dort eine Version mit Santa Esmeraldas einzigem Hit "Don't Let Me Be Misunderstood" als Bonustrack an.

 

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 Benjamin Schaefer Trio - Roots and Wings
 
 Enja – Soulfood
 
 
 
Das Trio um den jungen Pianisten Benjamin Schaefer (mit den Mitstreitern Robert Landfermann am Bass und Keith Copeland-Schüler Marcus Rieck am Schlagzeug) bestätigt mit dem neuen Album "Roots And Wings" seinen Status in der internationalen Szene. Der zuletzt beim Festival in Avignon als Komponist und in der Gruppe ausgezeichnete "Shootingstar des deutschen Jazz" überzeugt erneut mit rhythmisch ausgefeiltem und atmosphärisch dichtem Spiel, das leicht und anstrengungslos aus den Boxen zu perlen scheint. Neun der zehn Komositionen stammen dabei von Schaefer, eindrucksvoll. Es scheint sich ausgezahlt zu haben, mit dem zweiten Album nach dem aufsehenerregenden Debut von 2004 einige Zeit gewartet zu haben.
www.benjaminschaefer.com
 

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 Ute Lemper - Between Yesterday and Tomorrow
 
 Content / Edel
 
 
 
Per Zufall beginnen wir mit dem fünften Track "Ghosts of Berlin" und stutzen. Ute Lemper auf dem Kate Bush-Trip? Natürlich ist Ute Lemper nicht Kate Bush, ganz und gar nicht, sondern treibt zwischen Gestern und Heute irgendwie orientierungslos umher, wie dieses Album fatalerweise dokumentiert. Selbstbestimmt in Songmaterial und Produktion sollte es sein aber vom unangenehm schrillen Anfang über arabisch/hebräischen Kitsch, klischeehafte Arrangements (Todd Turkisher), übertriebene Phrasierungen, textliche Plattitüden zuhauf bis zum bindungslosen Kammermusik- Schlusspunkt ist ganz selten etwas durchhörbar. Es fehlen die stimmlichen und kompositorischen Mittel - eine kolossale Selbst-Überschätzung der doch so erfahrenen Performerin, die auch eine breitgestreute Werbekampagne nicht retten wird.

 

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