REVIEWS JAZZ 07-2018

 


 

jazz 07 18 mikeMcGinnis

Nicola Conte & Spiritual Galaxy - Let Your Light Shine On

MPS / Edel - Kontor

jazz 07 18 nicola conte

"Was europäische Labels angeht, war MPS immer die Messlatte für mich." In schönster `Jazz meets the world´ - Tradition fusionieren Conte & sein spirituell-galaktischer Mitarbeiterstab für das hanseatisch reaktivierte, ehemalige Schwarzwald-Unternehmen nun Afro Beat & Cosmic Jazz auf das Geschmeidigste. Play Tracks 1-4,6,7,11.

Am 14.07. live auf Schloss Neuhardenberg, für angekündigte weitere Termine check out: https://de-de.facebook.com/nicolaconte.official

 TIPP
LIVE
 

Debüt auf MPS für Nicola Conte. Mit seinem neuen Album Let Your Light Shine On präsentiert sich der italienische DJ, Produzent, Gitarrist & Bandleader fast vier Jahre nach Free Souls kosmisch-kosmopolitisch. (Cosmic)Jazz, Soul, Disco, afrikanische Chants & Grooves werden von Contes Spiritual Galaxy-Multi-Kulti-Star-Ensemble scheinbar unangestrengt verwoben. Mit dabei u.a. Trompeter Theo Croker, Saxophonist Logan Richardson, Tastenmann Pietro Lussu, Posaunist Gianluca Petrella, Magnus Lindgren an verschiedenen Flöten, Bridgette Amofah & Carolina Bubbico am Resident-Mikro - und auf einem Track auch die britisch-jamaikanische Sängerin Zara McFarlane (im August beim Berliner Wassermusik-Festival). Für sein achtes, quasi live mit nur minimalen Overdubs aufgenommenes Album mit 11 Eigenkompositionen (bei 12 Tracks) interessierte Conte der afro-zentrische Ansatz in der Musik der Sixties & Seventies, dem er hier mit seinem selbst Spiritual Afro betitelten Jazz nacheifert, ohne seelenlose Plagiate abzuliefern.

Michelle Ndegeocello - Ventriloquism / ntjam rosie - breaking cycles

Naive / Soulfood * O-Tone Music / Edel

Wer erinnert sich noch an die quietschbunt gestylte Mittachtziger- Sternschnuppe Lisa Lisa mit ihren in der zweiten Reihe herumhampelden Produzenten Cult Jam with Full Force? I Wonder If I Take You Home war deren einzig nennenswerter, per MTV nach Europa geschwappte Hit, den nun Meshell Ndegeocello als Opener für ihren aktuellen Longplayer Ventriloquism auserkoren hat. Als Bauchrednerin betätigt sich die Ausnahmebassistin & Aktivistin auf diesem reinen Cover-Album zwar nicht, unterzieht das poppige 80´s Black Music-Ausgangsmaterial (Prince, Tina Turner, Sade, George Clinton) aber fast durchweg einer zuweilen seltsam somnambul wirkenden Entschleunigungskur und dekonstruiert die meisten Tracks aus ihren bekannten Songstrukturen heraus. Am wiedererkennbarsten: das entschlackte Tender Love (Force MDs), auch Private Dancer funktioniert in Slo-mo. Vom jazzigen Plantation Lullabies-Funk der Mitt-Neunziger, aber auch vom straighten Dance of the Infidel-Jazz von Anno 2005 ist hier wenig geblieben. Meshell Ndegeocello entwickelt sich stetig weiter und pfeift auf Erwartungshaltungen. Das Musikalbum als Zufluchtsort in schwierigen Zeiten - so möchte  die Künstlerin nach einem persönlichen Seuchenjahr ihr aktuelles Werk verstanden wissen, geht aber dabei meist etwas zu sehr vom Gas. http://www.meshell.com

 

jazz 08 18 MichelleNdgeo

Afrikanische Chöre, Jazz, (Neo-)Soul & R&B der 1990er (der Marke Janet Jackson oder Erykah Badu) wie auch aktuellere schwarze Chartsmusik à la Kelela oder Daniel Ceasar sind erklärtermaßen die Einflüsse für Ntjam Rosies mittlerweile fünftes Studio-Album Breaking Cycles. Produziert wurde dieses nach einer Mutterschafts- & Besinnungs-Pause mit flankierendem Labelwechsel angegangene Album vom niederländischen Tastenmann Vincent Helbers (aka Flowriders), mit dem die in Kamerun geborene Rosie auch sämtliche Songs schrieb. Die dann mit Schlagzeuger Richard Spaven (Jose James, 4Hero), dem Londoner Bassisten Robin Mullarkey (Jacob Collier, Laura Mvula) und der Bläser-Sektion Bart Wirtz (Saxophon) und Teus Nobel (Trompete) eingespielt wurden. Ntjam Rosie zeigt Profil, nicht nur fürs Cover. Play Tracks 1-3,7. www.ntjamrosie.com Am 8. September, 22:30 `German clubshow premier´ im Quasimodo-Keller, Berlin.
LIVE

jazz 07 18 Rosie

Paolo Fresu Devil Quartet - Carpe Diem

Tuk Music / Edel

jazz 06 18 Fresu

Zudem recht ansprechend digiverpak-t: Das Carpe-Diem-Cover ziert Barbara Valsecchis Digitalgrafik Eden.
www.paolofresu.it *

LIVE

Rein akustisch kommt es daher, das neue Album des sardischen Trompeten- & Flügelhorn-Virtuosen Paolo Fresu und seines Devil Quartet. Mit diesem Carpe Diem nehmen Fresu & die langjährigen (auch mit eigenen Kompositionen hervortretenden) Mitstreiter Gitarrist Bebo Ferra, Bassist Paolino Dalla Porta sowie Percussionist & Drummer Stefano Bagnoli eine Auszeit von den E-Jazz-Arrangements der letzten Jahre. Für Enrico Rava-Schüler Fresu ist stilistische Weiterentwicklung ein Muss: "Jazz ist lebendig, denn es handelt sich um eine Kunst, die ständig auf der Suche ist und sich permanent der Zeit anpasst." Ein weiteres feines Italian-Jazz-Album - im brillanten Hi-Resolution-Format aufgenommen für das Fresu-eigene Label Tuk. Am 20. September live in der Elbphilharmonie Hamburg, am Tag darauf im E-Werk Freiburg.

brad mehldau trio - seymour reads the constitution

Nonesuch / Warner

Der rastlose Brad Mehldau, gerade noch solo auf den Spuren von Bach unterwegs, legt zwei Jahre nach Blues and Ballads ein weiteres Trio-Album mit dem kongenialen Rhythmusgespann Larry Grenadier (b) & Jeff Ballard (dr) vor. Der Titel Seymour Reads the Constitution ist in unsicheren Zeiten wohl politisch zu nehmen, ein Einkaufswagen, bei genauerem Hinsehen vollgepackt mit höchst unterschiedlicher Literatur rund um die US-amerikanische Verfassung, ziert das Album-Cover (Mitch Epstein/John Gall). Alles inhaltlich Weitere bliebe bei acht Instrumentals der Imagination des Hörers überlassen, gäbe es nicht Mehldaus Einlassungen zum neuen Album: "Vielleicht kann die Schönheit musikalischen Ausdrucks als Modell fürs Handeln im Polit-Theater dienen. Meine Musik war nie offenkundig politisch, ich wollte mit ihr keine Agenda aktiv bewerben. Aber Politik ist unausweichlich. Vielleicht habe ich bislang nur noch nicht den richtigen Texter gefunden." Musikalisch findet das Trio einmal mehr zu seinem traumwandlerisch sicheren Zusammenspiel, sei es bei Mehldaus (drei) Eigenkompositionen, bei Edel-Pop-Vorlagen von Paul McCartney (die Beatles-Vorliebe besteht weiterhin) und Brian Wilson oder bei Jazz-Stücken von Elmo Hope und Sam Rivers, sowie einem Frederick Loewe-Standard aus dem American Songbook. Play Tracks 2,6,7. www.bradmehldau.com 

 

jazz 08 18 MehldauTrio

Mike McGinnis - singular awakening / Edward Simon - Sorrows & Triumphs

beide: Sunnyside / Goodtogo

jazz 07 18 mikeMcGinnis

Nice cover image by: Valerie Trucchia ( www.valerietrucchia.com ).

 
 

1 "The sound of three friends & their instruments", so beschreibt Sopransaxophonist Mike McGinnis auf der Innenseite des Klappcovers seine Zusammenarbeit mit den älteren Kollegen Art Lande (71,p) & Steve Swallow (77,b), die den acht gemeinschaftlichen Improvisationen hier noch jeweils zwei eigene Stücke hinzufügen. "We improvised for an hour. This led to a lovely afternoon of mostly first takes." Heraus kam das vorliegende Singular Awakening. Nach dem gerade erst im letzten Jahr (ebenfalls auf Sunnyside) veröffentlichten Vorgänger Recurring Dream (mit mehr komponierten Tracks) liegt nun der zweite Teil aus der gleichen Brooklyn-Session der drei Improvisationskünstler vor. http://www.mikemcginnis.com * www.artlande.com * www.labella.com/artists/steve-swallow

2 Und nocheinmal Sunnyside. Der Herbie Mann-, John Patitucci- oder Terence Blanchard-Mitstreiter, Pianist & Komponist Edward Simon, präsentiert das mit Afinidad, seinem Quartett mit Altsaxophonist David Binney, Bassist Scott Colley & Schlagzeuger Brian Blade, eingespielte Album Sorrows and Triumphs. Als Gäste mit an Bord: Sängerin Gretchen Parlato, Gitarrist Adam Rogers oder das Holzbläser-Quintett Imani Winds. Etwas irritierend hier die Trackreihenfolge: die Stücke aus den zwei als Auftragsarbeiten entstandenen, klangfarbenreichen Suiten Sorrows and Triumphs sowie House of Numbers sind hier bunt durcheinandergewürfelt. Mit Venezuela Unida schließlich schickt der venezolanische, seit 30 Jahren aber in den USA arbeitende Jazz-Routinier auch einen Gruß in seine Heimat. https://edwardsimon.com Am Freitag d. 26. Oktober live mit dem SFJazz Collective in Frankfurt/ Main.

LIVE

jazz 07 18 sunnyside Edward Simon

Tohru Aizawa Quartet - Tachibana Vol.1

Bbe / Indigo


Erneute Nippon-Jazz-Ausgrabung bei Bbe. Nach der kürzlich vorgestellten Kompilation J Jazz: Deep Modern Jazz From Japan 1969-1984 des britischen Labels gibt es einen Nachschlag aus dem goldenen Zeitalter der japanischen Jazzszene. Dem auf dem Sampler enthaltenen obskuren Track Dead Letter folgt nun gar ein komplettes Album des Tohru Aizawa Quartet: das 1975 aufgenommene und in Kleinstauflage privat gepresste Album Tachibana. Das einzige Album des studentischen Feierabend-Quartetts, von Geschäftsmann & Jazz-Fan Ikujiroh Tachibana finanziert, wurde über die Bandmitglieder um Pianist & Bandleader Aizawa direkt lizenziert und ist nun erstmals einem größeren Kreis von Interessenten zugänglich, komplettiert von Fotos & neuen Liner Notes von Tony Higgins im Booklet. Musikalisch geboten sind zwei weitere instrumentale Jazz-Eigenkompositionen und zwei Latin-Cover, Chick Coreas La Fiesta & Luiz Bonfás Samba de Orfeu. Was in der nun begründeten J Jazz Masterclass Series wohl noch folgen mag?

 
 

jazz 07 18 Toru Aizawa

www.bbemusic.com/downloads/tachibana

Per Mathisen & Jan Gunnar Hoff with horacio hernandez - Barxeta II

Losen Records (Import)

Geht einigermaßen spannend los, wird dann aber zunehmend beliebig, dieses Barxeta II. Im Zusammen- (und oft genug Nebeneinander-Her-)Spiel von Per Mathisens Bass mit Jan Gunnar Hoffs Klavier-, Keyboard- & Synthieläufen und  dem für Kollege Alex Acuña eingestiegenen kubanischen Schlagzeuger Horacio Hernandez kommt meist überraschungsarmer Fusion-Jazz heraus, der abseits der Bewunderung handwerklicher Fertigkeiten der Beteiligten wenig Spannung erzeugt.  Alle spielen sich den Wolf, aber ein geschlossenes Ganzes entsteht kaum (was hier auch für die grafische Verpackung gilt). An der vertrauten Umgebung kann es doch kaum gelegen haben? Wie für das erste Album traf man sich auf einer Finca im kleinen spanischen Dorf Barxeta. www.losenrecords.no

jazz 07 18 Barxeta

Tower of Power - Soul Side of Town / Stanley Clarke Band - The Message

Beide: Mack Avenue / in-akustik

Blow that horn... Seit mittlerweile 50 Jahren das Motto der zehnköpfigen Soul-Big Band aus Oakland, Kalifornien um die Gründungsmitglieder Songwriter Emilio Castillo und Stephen `Doc´ Kupka. Mit der im Laufe der Jahre personell immer wieder durcheinandergewirbelten jazzig-funkigen Bläsersektion, die schon bei Größen wie Carlos Santana, Elton John, Little Feat, Aerosmith, den Rolling Stones, Phil Collins oder Tom Jones zum Einsatz kam, versucht Tower of Power auch Anno 2018 dem eigenen Motto gerecht zu werden: (If you gonna do it) Do it with Soul (auch Track 5). Auf dem ganz auf den US-Markt zugeschnittenen Soul Side of Town veröffentlichen die Kalifornier im Jubiläumsjahr ein um sich selbst (East Bay! Oakland Style!) kreisendes Album ohne Überraschungen oder Experimente, das ihnen kaum neue Fans einbringen wird. Aktuelles Lineup: das 1998 reaktivierte Gründungsmitglied David Garibaldi (am Schlagzeug), Francis Rocco Prestia am Bass, Gitarrist Jerry Cortez, Hammond-Organist & Keyboarder Roger Smith, Tenorsaxophonist Tom Politzer und die Trompeter Adolfo Acosta & Sal Cracchiolo. Zwei Leadsänger sind im Einsatz: Ray Greene & Marcus Scott. Fast nonstop auf tour, aber nur in den USA & Ostasien.

 
 

jazz 08 18 TowerPower

https://towerofpower.com/home

 

 

Bekanntermaßen ebenfalls im Fusion- und Funk-Biz tätig: Mack-Avenue-Labelkollege & Grammy-Preisträger Stanley Clarke, auch schon seit 45 Jahren dabei. Für sein aktuelles Stanley Clarke Band-Album The Message hat sich die Bass-Legende aus Philly neben den regulären Mitstreitern Mike Mitchell (dr), Beka Gochishvili (p, keys) & Cameron Graves (synthie) auch der Mitarbeit der Gäste Doug E. Fresh (voc) und Mark Isham (tp) versichert. Die meist von Clarke, gelegentlich auch als Gemeinschaftskomposition geschriebenen Tracks lassen einigen Raum für allseitige Improvisation, wobei es dem 66-jährigen Routinier ganz recht zu sein scheint, wenn seine `jungen Wilden´ sich austoben. Nur einmal steht er allein im Mittelpunkt - wenn er mal eben Bachs berühmte Cello-Suite auf dem (gestrichenen) Acoustic Bass intoniert. Tourkalender: Frankreich, Kanada, USA. http://stanleyclarke.com
 

jazz 07 18 Stanley Clarke

Jake Mason Trio - The Stranger In The Mirror

Soul Messin' Records (Import)

Wer hier wohl der Fremde im Spiegel ist? Bisher mit Cookin‘ On 3 Burners unterwegs, hat der australische Tastenmann Jake Mason nun ein neues threesome-Projekt am Laufen. The Stranger In The Mirror ist das Debütalbum seines in Melbourne basierten Orgeltrios mit Gitarrist James Sherlock und Schlagzeuger Danny Fischer (zu Gast: Saxophonist Paul Williamson) und enthält ausschließlich Mason´sche Eigenkompositionen, zehn an der Zahl. Die nicht weiter aufregenden Instrumentals verbreiten in rund 50 Minuten Spielzeit bluesig-jazziges Retrofeeling der unkomplizierten Sorte, allesamt von Mason höchstselbst mit Vintage-Equipment aufgenommen, produziert & gemischt. Auffälligster Track: der Opener The Grain Store. Klar, auf Vinyl gibt es das Ganze natürlich auch. Play Track 1. https://jakemason.com.au

 
 

jazz 07 18 StrangerMirror

Jan Roth - Kleinod

Sinnbus / Rough Trade

"Kämpfen, Hasten, ständiges Vergleichen, Konkurenz, Hass - das ist für Anfänger." Bereits im Mai erschienen: Pianist & Schlagzeuger Jan Roths persönliches Gegenprogramm: sein zweites, spartanisch verpacktes Album namens Kleinod. Darauf bei Bedarf zwischen Jazz, Neoklassik und Ambient einzuordnende, instrumentale Eigenkompositionen - und einmal auch Chopin (dessen berühmte Prélude in E-Moll). Neben dem Wahl-Leipziger `Preis der Deutschen Schallplattenkritik´-Träger Roth am Piano sind hier Trio Schmetterling-Bassist Alex Binder, Schlagzeuger Maximilian Stadtfeld, sowie Antonia Hausmann und Fritz Moshammer an Posaune, Klarinette, Trompete & Flügelhorn zu hören, letzterer per Zufall zur Produktion gestoßen. www.sinnbus.de Einzelne Solo-Auftritte im August & Oktober. Check out: https://de-de.facebook.com/pg/janrothmusik/events/?ref=page_internal 

LIVE

jazz 07 18 JanRoth

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