Die Berlinale und die Filmmusik - auch 2004, im dritten Jahr der neuenAdministration bleibt dies ein eher trauriges Paar. Hatte man doch nachdem schnellen Verschwinden der eigens für das 50. jährige Jubiläum produzierten CDs und dem folgenden de Hadeln-Abwicklungsjahrgang, (in dem es unrühmlicherweise gelang, ein 2 Jahre vorher von Komponist Peer Raben zugesandtes Synthi-Demo anstelle der neu-komponierten Fanfare in allen Vorführungen abzunudeln) einige Hoffnung in den vielbeachteten Kosslick-Neustart gesetzt... Spätestens
im dritten Jahr nun muss sich auch beim optimistischsten
Musikinteressierten Ernüchterung einstellen: wie im deutschen Film
generell spielt die Musik trotz aller anderslautenden Bekundungen auch
auf der Berlinale konstant in der letzten Reihe. Zur Einbettung der
nun bereits mehrjährig ausgesetzten Bonner Filmmusik-Biennale ist es
nicht gekommen und auch sonst gibt es wenig (Gutes) zu berichten : Die
spärliche Ausstattung insbesondere der Wettbewerbs- und Forums-Reihen
mit Audiomaterial zu den aktuellen Beiträgen hat sich nicht gebessert
und in diesem Jahr auch das bisher in dieser Hinsicht durchaus bemühte
Panorama-Team erfasst - eine Filmmusik-Berichterstattung vom grössten
deutschen Filmfestival ist weiterhin Glückssache. Bezeichnend
: vom von der Jury-Präsidentin Frances McDormand sogar "with pride"
gegen vereinzelte Pfiffe verteidigten Silbernen Bären für die beste
Filmmusik an das Ensembles Banda Osiris (für den italienischen
Wettbewerbsbeitrag "Primo Amore") gab es auch auf Nachfrage keinerlei
Musik für interessierte Journalisten...
Aber
auch von Seite der Berichterstatter scheint wenig Leidenschaft zu regieren. Vereinzelt angereiste, auch durchaus prominente Musikschaffende
wie in diesem Jahr u.a. die griechische Komponistin Eleni Karaindrou
wirkten auf Foren und Pressekonferenzen weiter meist verloren und
isoliert. Selbst auf (dünner besuchten) Musikfilm-Veranstaltungen
schienen Präsentatoren undanwesende Journaille unmotiviert und noch
schlechter vorbereitet als im Festivalsdurchschnitt. Liegt es einfach
an mangelndem Interesse ? Zumindest im erfolgreich lancierten und im
zweiten Jahr auf Nachfrage dankens- werterweise um Komponisten und
Sounddesigner erweiterten Talent Campus ein etwas differenzierteres
Bild: Dort wurde ein Schwerpunkt der Tonebene gewidmet und durch - mit
der Ausnahme einer Moderation auf Schülerzeitungs-Niveau von Daniel
Kothenschulte angesichts eines drauflosplaudernden David Holmes -
kompetent begleitete Gesprächsforen mit u.a. Zbigniew Preisner, Wim
Wenders, der Cutter/Soundeditor-Legende Walter Murch oder dem School of
Sound-Engineer Larry Sider inhaltlich gefüllt. Ein früher, durchaus
fordernder Höhepunkt im Festival: die Welturaufführung des Films
"Process" von CS Leigh mit Béatrice Dalle und Guillaume Depardieu, live
vertont von John Cale, allein unter Monitoren auf der weiten
Parkett-Bühne der ehemaligen Kongreßhalle. Auch im Talent Campus gelang
es jedoch nicht, Tom Third´s kanadischen Siegerbeitrag aus der
Volkswagen Score Competition für junge Sound Designer und Composer, in
der es galt, drei verschiedene Filmausschnitte zu vertonen, für
Berichterstatter bereitzustellen - so schmort das Talent im eigenen
Saft. Die adhoc- Jury dieses internen Talent-Wettbewerbs : Walter
Murch, David Holmes und der renommierte deutsche Tonmann Martin Steyer
(dessen Bruder Christian als profilierter Komponist fast zeitgleich
gegen mitternächtlich-leere Ränge einer Kirche in Berlin-Mitte
anmusizierte...).
Wer in
die Ränder des großen Medientreffens auswich, konnte in den
Vertretungen der Bundesländer durchaus auf interessante
Diskussionsforen stossen, in denen auch unter Teilnahme von Berliner
Ex-Major-Geschäftsführern die Zukunft der Musikindustrie lebhaft
debattiert wurde. Ebenfalls am Rande der Berlinale wurden bei einem
Treffen der Label Commission des VUT (des Verbandes der unabhängigen
Tonträgerunternehmen) in der sogenannten Berliner Musikrunde die ersten
Aktivitäten des überfälligen deutschen Musik-Exportbüros und die
Internet-Plattform sourcemusic.com vorgestellt, die sich auch auf dem
Talent Campus mit einem Infostand beteiligte - wenn die Nähe gesucht
wurde, dann eher vom derzeit besonders schwächelnden Juniorpartner, der
Musikseite.
Auf all diesen
Veranstaltungen, Vorträgen & Foren wurde eine Maxime laut:
Beteiligung der Musik-Kreativen, ob Komponisten, Musikberater oder
Sounddesigner, so früh wie möglich, d.h. in der Drehbuchphase, nicht
erst zuspät, nämlich als finaler Zuckerguß kurz vor Ende Geld, wie
gerade in der deutschen Produktionslandschaft weithin praktiziert...
Allein die beiden Wettbewerbsbeiträge aus deutschen Landen
verdeutlichen die gegenwärtige Misere. Der (teilweise in zweifelhafter
Festival-Rudelbildung) vielgescholtene Romuald Kamarkar klagte
lautstark über die Musikindustrie und die Restriktionen, die die
geltende Rechtslage dem Kinoregisseur aufbürdet, versäumte aber selbst
.als Produzent- die Rechteklärung seiner Film-Source-Musiken für "Die
Nacht Singt Ihre Lieder" auch auf den Tonträger-Bereich auszudehnen.
Und der Goldene-Bären-Preisträger Fatih Akin ließ die großteils
türkische Musik für "Gegen die Wand" von Freibank-Chef Klaus Maek zwar
vorbildlicherweise großteils bereits vor Drehstart klären, die
notwendigen weiteren Schritte zur Soundtrack-Erstellung gingen dann
aber im Termintrubel unter - folglich gab es von keinem der beiden
Filme zum Festival einen Soundtrack. Daß das rührige Label Normal aus
Bonn es trotz aller Widrigkeiten auf sich nahm, ohne Vorlauf die
Feuerwehr für die Versäumnisse von Musikberatern und Produzenten zu
spielen und kurz nach der Berlinale zum jeweiligen Filmstart nun den
jeweiligen Soundtrack anbietet, ist angesichts der derzeit
wegsterbenden Labelvielfalt ein kleines Wunder.
Die
Vorstellung, was anhand der lange feststehenden Retrospektiven allein
an begleitenden Events im Rahmen des Festivals möglich wäre, fällt beim
diesjährigen "New Hollywood", mit Filmtiteln wie "Easy Rider", "French
Connection", "Days of Heaven", "Pat Garrett & Billy The Kid"
u.v.a., einem Füllhorn auch in musikalischer Hinsicht, leicht - allein
die Realität : allein auf weiter Flur ein Themenabend im
Liquidrom-Schwimmbad (!) der monströsen neuen Tempodrom-Halle, in der
sich später bei der alljährlichen Teddy-Party aber auch kaum einer die
Laune dadurch verderben ließ, daß es weiterhin keinen ernstzunehmenden
(Filmmusik)-Event abseits der Filmpremieren in Berliner Februar gibt -
die Radio-Parties der letzten Jahre im Bauch des Berlinale-Palastes
fielen besonders dürftig aus. Bezeichnend
auch die Wortlosigkeit, mit der (Musik!)Abschlußevent des thematisch
wieder prall gefüllten Festivals schließlich endete : nach
schwungvollem Dirigat von Strawinskys "Le Sacre du Printemps"-Dirigat
durch Sir Simon Rattle zerstreuen sich nicht nur die Philharmoniker
samt Maestro, sondern auch die Film-Crew des tragischerweise inmitten
der Produktion verstorbenen Regisseurs Oliver Herrmann und der auf die
Bühne geeilte Kosslick wortlos (!) - keiner der Beteiligten findet nach
der Uraufführung am letzten Festivaltag auch nur ein paar angemessene
Worte, nachdem mit viel Aufwand einmal versucht wurde, der Musik eine
besondere Rolle einzuräumen. (Der Film wird am Samstag, 20. März 2004,
21.55 Uhr auf 3sat noch einmal zur Musik der Symphoniker zu sehen
sein). So steht der beste und
bezeichnendste Beitrag zum Thema auf der letzten Seite von "film 01",
einer Berlinale-Sonderbeilage des Zeitverlages in einem Artikel von
Ralf Niemczyk über die zunehmende Verwahrlosung der Filmmusik - leider
gültig für die gegenwärtige deutsche Szene und Ihr grösstes Festival -
Titel : "Einfach draufgeklatscht eben !"