PINK MARTINI Interview 7-2010

    Cinesoundz- Interview: PINK MARTINI vom 16.Juli 2010  
     
     
    Interview mit Thomas M. Lauderdale, Bandleader & Pianist des 12-köpfigen 'Mini-Orchesters Pink Martini aus Portland, Oregon, derzeit auf Europa-Tournee.
     

    Warum haben Sie sich gerade den Namen 'Pink Martini' ausgesucht?

    'Pink Martini' passt einfach ganz gut zu unserer Musik - ein eleganter, urbaner Stil-Mix.

    Sie lassen sich von Hollywood-Musicals aus den 40ern und 50ern inspirieren…

    … und anderen alten Filmen. Ich habe daheim diesen altmodischen 16mm-Projektor und kürzlich habe ich eine gut erhaltene Kopie eines Leni Riefenstahl-Films über Olympia 1936 in Berlin erstanden. Das Turmspringen fasziniert mich (zeigt die Passage auf seinem Laptop). Sehen Sie die Zeitlupenaufnahmen? Phantastisch, oder? Es reizt mich, diese Bilder mit meiner Musik zu unterlegen. Dazu könnte man ein tolles Stück schreiben…

    Musikstücke aus alten Filmen findet man ja öfter auf den Alben von 'Pink Martini'. 'Amado Mio' zum Beispiel aus dem Rita Hayworth-Film 'Gilda' von 1946 oder 'Song of the Black Lizard' aus dem japanischen Detektivfilm 'Black Lizard' von 1968. Mögen Sie nur alte Filme?

    Ja, moderne Filme sind mir allesamt zu gewalttätig. Ich finde, dass die Ausrichtung auf einen möglichst globalen Publikumsgeschmack den Filmen nicht gut tut. Das gilt vor allem für aktuelle Hollywood-Produktionen.

    Und wo stöbern Sie diese alten Filme auf?

    Wenn ich auf Tournee zwischen den Auftritten etwas Zeit habe, schaue ich mich gerne auf Flohmärkten um, vor allem in Europa, da gibt es schöne alte Dinge zu entdecken. Jene Platten, Filme und Bücher, für die ich mich interessiere, findet man nicht im Internet.

    In dem Song 'Tuca Tuca' aus dem letzten Album 'Splendor in the Grass' (2009) kommt die Sitar aus dem Peter Sellars-Film 'Der Partyschreck' aus dem Jahr 1968 zum Einsatz. Wie sind Sie denn an dieses Instrument gekommen?

    Der Mann einer Freundin war bei der Produktionsfirma angestellt. Nach Abschluss des Films durfte er sich etwas vom Set aussuchen und er wählte die Sitar. Jetzt ist sie bei mir zu Hause. Ich kann aber nicht darauf spielen. Phil Baker, unser Bassist, beeindruckt uns alle mit seiner Sitar-Fertigkeit.

    Auf 'Splendor in the Grass' findet man Einflüsse aus der Klassischen Musik. Wie das?

    Mein Freund und Produzent Alex Marashian, der an einigen Stücken auf dem Album mitgeschrieben hat, mag Klassische Musik und hat sie auch mir näher gebracht. So haben wir ein Zitat aus dem 'Piano Concerto No.1 in B-Moll, Op. 23' von Tchaikovsky in den Titelsong aufgenommen, der ansonsten auf 'Burning Bridges' aus einem Clint Eastwood-Film aus den 1970ern basiert.

    Und Franz Schubert hat gleich zwei Songs auf dem Album inspiriert: Als Alex und ich an 'And Then You're Gone' arbeiteten, lag ein Notenblatt von Franz Schuberts 'Fantasie in F-Moll für Klavier zu vier Händen' auf meinem Instrument. Also haben wir Teile daraus in den neuen Song mit eingearbeitet, den wir mit einem Latin-Beat unterlegten. Er handelt von einer Frau, die von ihrem herumstreunenden Geliebten Lorenzo die Nase voll hat und ihn wegschickt. Die erste Version kam bei der Band aber gar nicht gut an. Sie fanden ihn zu repetitiv. Also haben wir weiter daran herumgefeilt, etwas mehr Swing beigemischt, und merkten plötzlich, dass wir einen zweiten Song vor uns liegen hatten - die trotzige Antwort des untreuen Lorenzo: 'But Now I'm Back'.

    Auf dem Album gibt es auch ein Stück des legendären Komponisten Moondog, der Jahrzehnte als Obdachloser auf der Sixth Avenue verbrachte: 'New Amsterdam', eine Hommage an New York. Haben Sie eine spezielle Verbindung zu der Stadt?

    Obwohl ich sehr gerne in Portland im Bundesstaat Oregon lebe - wie inzwischen übrigens alle zwölf Bandmitglieder - halte ich New York für die tollste Stadt Amerikas. Dort befindet sich das kulturelle Zentrum des Landes.

    Bevor Sie 'Pink Martini' 1994 gegründet haben, waren Sie politisch aktiv. Sie haben sogar mit dem Gedanken gespielt, Bürgermeister von Portland zu werden. Könnten Sie sich das immer noch vorstellen?

    Aber sicher. Im Moment habe ich zwar noch zu viele Ideen, die ich gerne mit 'Pink Martini' umsetzen möchte, aber vielleicht so in sechs Jahren wäre ein guter Zeitpunkt für die Politik. Ich bin ja vor zwei Tagen gerade erst 40 geworden.

    Wie würde Ihr politisches Programm als Portlands Bürgermeister aussehen?

    Ich muss sagen, da würde mich München inspirieren. Heute war ich an der Isar und habe Fotos von den Leuten gemacht. Sehen Sie mal, die sind bereits hochgeladen (zeigt die Fotos auf facebook). Unglaublich, dass man hier im Fluss schwimmen kann - und die ganzen Fußgänger und Radfahrer in der Stadt - das ist toll. Portland ist für eine amerikanische Stadt zwar fortschrittlich und liberal, aber da ließe sich städteplanerisch schon noch einiges verbessern… man müsste die Infrastruktur für den öffentlichen Verkehr stärken, die Stadt fußgängerfreundlich machen mit kleinen Läden statt Shopping-Malls - und einen Fluss hätten wir auch. Im Moment engagiere ich mich für eine bessere Bildung. Ich bin Mitglied der Schulverwaltung von Portland.

    Last but not least: Wann wird das nächste Pink Martini-Album herauskommen?

    Voraussichtlich schon im November 2010. Es wird ein 'Festtags-Album' werden mit Weihnachtsliedern und Neujahr-Songs. Wir werden aber auch wieder weiter in die Welt blicken und zum Beispiel das jüdische Chanukka und das Chinesische Neujahr mit einbeziehen.

     

    Das Interview wurde anlässlich des Konzerts in der Münchner Muffathalle am 16.7.2010 geführt.
    (C) Gabriela Beck for Cinesoundz, 2010