Reviews Jazz 12-2010

     

     Norah Jones - ...Featuring  
     Blue Note / EMI  
     
     

    An der lange durchweg bejubelten Norah Jones scheiden sich mittlerweile die Geister. Da wird auch dieses durchaus nachvollziehbare Compilation-Album erst einmal nichts ändern. "Featuring" spannt den Bogen der bisherigen Kollaborationen der Tochter von Ravi Shankar (der nicht dabei ist, aber von Ray Charles würdig vertreten wird) mit anderen Künstlern von einer ersten (Roxy Music)-Coverversion von 2001 über Arbeiten mit so unterschiedlichen Künstlern wie Belle & Sebastian oder Herbie Hancock bis zum (mäßig inspirierten) Cold Season-Klassiker "Baby It´s Cold Outside" mit Willy Nelson. Nicht immer scheint die Jones dabei ihr ganzes Können abzurufen, was über einen Zeitraum von zehn Jahren auch Superstars gestattet sei. Mit "The Best Part" ihrer Undercover-Band "El Madmo" verbirgt sich jedenfalls ein Juwel ganz im Innern der Platte, gefolgt von einer ebenfalls gelungenen Performance mit Outcast. www.norahjones.com

     

     
     
     Ricky-Tick Big Band  
     Ricky-Tick / Groove Attack TIPP!  
     

    Der umtriebige Finne Valtteri Pöyhönen wandelt nach dem in der Filmmusik-Rubrik an vorderster Stelle gewürdigten cinephilen Sextett-Projekt Dalindèo zwischen der lange unterschätzten Kulturschmiede Helsinki und Berlin auf spannenden Big Band-Abwegen: Seine Ricky-Tick Big Band wird im ersten Jahr des Bestehens bereits als heißer Newcomer im internationalen Jazz-Geschäft gehandelt. Das 15-köpfige Ensemble steht in der swingenden Tradition der frühen 30er-Jazz-Ära Benny Goodman und Duke Ellington werden durch Tempo und VP´s modernes Songwriting ins Hier und Jetzt transportiert und sogar Anklänge an den speziell gefärbten Ethiopian Jazz-Sound von Mulatu Astatke haben da noch ein Plätzchen. www.myspace.com/rtbb
     
     
     
     Nicola Conte - Other Directions  
     Schema / Groove Attack TIPP  
     


    Nicola Conte ist seit Jahren einer der üblichen Verdächtigen in dieser Rubrik. Etwa ein Jahr nach der Veröffentlichung des regulären Albums "The Modern Sound Of Nicola Conte" und ein paar Monate nach seiner "Spiritual Swingers"-Compilation präsentiert der rürige italienische Jazz-Musiker und Produzent "Other Directions". Das im Jahr 2004 auf Blue Note herausgekommene Album enthält nun in der Neuauflage eine zusätzliche CD mit den bisher ausschliesslich auf Vinyl veröffentlichten Titeln und weiter einige neue Stücke & Remixe, u.a. eine Re-Interpretation von Mancinis Film-"Charade". Mit von der Partie sind namhafte Gäste wie Till Brönner, Cristina Zavalloni, Bembe Segue, oder Lisa Bassenge. www.myspace.com/nicolacontetheofficialspace

     
     
     
     Renaud Garcia-Fons - Mediterranees  
     Enja / Edel  
     


    Der spieltechnisch innovative Ausnahme-Kontrabassist Renaud Garcia-Fons geht auf seinem fünften Album für das Münchner Enja-Label auf eine musikalische Reise ans Mittelmeer, wo er sich schon aufgrund seiner spanischen und italienischen Wurzeln zu Hause fühlt. Bosporus und Libanon, Ägypten und Gibraltar sind weitere Eckpunkte des von Instrumenten wie Daf, Darbouka , Rik, Tambur, Tar, Udu oder Zarb begleiteten Trips. Auf Garcia-Fons´nächstes (Filmmusik-)Projekt darf man noch mehrgespannt sein. Für den stilbildenden Trickfilmklassiker "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" von Lotte Reiniger erarbeitete RGF eine neue Musik, die bei den Kurt-Weill-Festspielen in Dessau im März 2011 uraufgeführt werden soll. www.renaudgarciafons.com

     

     
     
     Sara Mitra - April Song  
     Impossible Ark / Groove Attack  
     


    Sara Mitras Debüt wurde von einflussreichen BBC-Musiker-DJs wie Jamie Cullum und Gilles Peterson sehr gefördert. Die Sängerin aus Essex verbindet ihre im folknahen Gesang dargebrachten, meist autobiographischen Geschichten in einem instrumentalen Jazz-Gewand, wie es seit Coltrane als klassisch gilt. Bei ihrem "April Song" mitgeholfren haben weitere junge Jazzheads aus der Szene im UK - wie (Mitras Arrangeur & Ehemann) Tim Giles, Bassist Riaan Vosloo, Pianist Philip Hochstrate, Ross Stanley an der Hamm-Orgel sowie die Bläser James Allsopp & Fulvio Sigurta.
    www.saramitra.com

     

     
     
     Elvis Costello - National Ransom  
     Concord / Universal  
     


    Elvis Costello ist beim Folk angekommen - zumindest bei seiner speziellen Spielart des allseits wiedererstarkten Genres. Produzent T Bone Burnett bringt natürlich auch eine gehörige Prise gut abgehangenen Rock, Country- und Americana-Elemente mit in die aktuelle Kollaboration und aufgenommen (vergleichsweise lo-fi, mit den Imposters und den Sugarcanes) wurde im Geist einer Art von zappaeskem Krisen-Jazz. Auch Costellos eigenwillige Balladentexte: ob das Schicksal eines singenden Cowboys von 1937 und der tödliche Desertionsversuch eines Soldaten Anno 1919 sind von solch aktuellem Kaliber. Costello-Fans werden Elvis die Stange halten, aber allzu viele neue wird "National Ransom' wohl nicht gewinnen. www.elvis-costello.de

     
     
     
     Cassandra Wilson - Silver Pony  
     Blue Note / EMI  
     


    "Silver Pony" enthält neue Live- und Studioaufnahmen der extra für letztere wieder nach New Orleans gezogenen Cassandra Album. Im dortigen Piety-Studio wurde der Live-Spirit der Besetzung ihrer letzten Europa-Tournee eingefangen (zwei der dort live mitgeschnittenen Stücke eröffnen das Album und es gibt ). Bei Miteigentümer und Silver Pony-Koproduzent John Fischbach schaute dann unter anderem der filmmusikaffine Startrompeter Terence Blanchard vorbei. Coverversionen bekannter Stücke gibt es auch wieder: "Blackbird" (Lennon/McCartney) oder "If It´s Magic (Stevie Wonder), sowie zum Abschluß ein auffälliges Duett mit John Legend.
    www.cassandrawilson.de

     
     
     
     The Jazzinvaders - ´3`  
     Unique - Social Beats / Groove Attack  
     



    Phil Martin, kreativer Kopf der hollaendischen Jazzinvaders (und des Labels Socialbeats Records) mit dem wenig überraschend betitelten dritten Album, das sich neben der bisher vor allem in Japan erfolgreichen eigenen Nu-Jazz-Hardbop-Latinjazz-Linie stark von 70s Funk des Schlage Earth Wind & Fire oder Roy Ayers anleiten liess. Wir konstatieren: gediegen, aber irgendwie nicht allzu aufregend geht es hier zu.

    www.thejazzinvaders.com
    www.socialbeats.com

     

     
     
     George Duke - Déjà Vu  
     Heads Up / In-Akustik  
     


    George Duke bemüht sich gar nicht erst, den Eindruck zu erwecken, er würde mit seinem neuen Album Neuland betreten. Auf dem gewissermaßen in Flucht nach vorn betitelten "Déjà Vu" zelebriert der Tasten-Altmeister genau die Synthie-Sounds, die seit den für den Funk goldenen 70´s sein Markenzeichen sind. Duke wollte eine moderne Version von Ideen, die er damals noch mit Afrohaupt entwickelt hatte, einspielen, unterstützt von Assen wie Trompeter Nicholas Payton, Flötist Hubert Laws oder Saxofonist Bob Sheppard, die man teilweise beispielsweise schon mit dem Duke auf seinem Klasse-Auftritt beim St.Lucia-Jazz-Festival 2009 sehen und hören konnte. Funk & Soul meet Jazz. Always solid. www.georgeduke.com

     

     
     
     Paolo Conte - Nelson
    Paolo Fresu - The Blue Note Years
     
     Emarcy / Universal -- Blue Note / EMI  
     


    Zweimal italienischer Jazz, der auf den Vornamen Paolo lautet.
    Zunächst Herr Conte. Der extrem erfolgreiche 73-jährige Cantautore-Einzelgänger, der, aufbauend auf einer Jazzmusikerausbildung u.a. "Azurro" - für Adriano Celentano - geschrieben hat, arbeitet weiter am Legendenstatus. Schwermütig erhebt er mit "Nelson" den Hund aufs Albumcover, der ihn die letzten 12 Jahre begleitet hat. Intimes & sachte Experimente haben auch diesmal ihren Platz. Wer Paolo Conte beispielsweise beim Umbria Jazz 2009 erleben durfte, weiß um den Wechsel zwischen Jazz, Chansonartigem und Latinangehauchtem, den er zelebriert und meisterhaft beherrscht.
    www.paoloconte.it


    Namensvetter Paolo Fresu, ebenfalls 2009 in Perugia, wird von Blue Note mit einer Doppel-CD mit Highlights aus den bisherigen sechs Jahren seiner Labelzugehörigkeit geerht. Der Jazztrompeter, Flügelhorn-Spieler und (auch Filmmusik-Komponist) an dem niemand, der italienischen Jazz zu schätzen weiss, vorbeikommt, spielt hier u.a. mit Roberto Cipelli (Piano), Ettore Fioravanti (Drums), Tino Tracanna (Saxophon) und Attillio Zanchi (Bass). Auf CD 2 gibt es Devil Quartet und das Projekt Fresu/Caine zu hören. Mit Bebop, Jazz-Rock, Soul-Jazz und Fusion ist das Spektrum breit genug angelegt, um den einen oder anderen neuen Fan zu interessieren. www.paolofresu.it

     



     
     
     Frank & The Blue Moons - Deep Dark Blue
    Jerry Lee Lewis - Mean Old Man
    Liz Wright - Fellowship
     
     Various Artists - Octopi / Rough Trade -- Verve / Universal -- Verve / Universal

    In dieser Rubrik wird bekanntermassen so einiges mitverhandelt, das straighten Jazz nur in Spurenelementen aufweist, aber ähnlich unaufgeregt zur Sache kommt...
     
     

    1 Frank & The Blue Moons segeln im Fahrwasser eines Van Morrison mit den Koordinaten Blues, Folk, Soul und D.I.Y.-Hausmusik. Francis, Pete und Hugo Seilern & weitere Familymember & Friends musizieren hier entspannt und generationenübergreifend.
    2 Jerry Lee Lewis singt sich hier als "Mean Old Man" mit brüchiger Stimme durch spannungsarme Standards, da beisst auch die JLL links & rechts das Ehrengeleit gebende illustre Starpower keinen Faden ab.
    3 Liz Wright ist auch auf ihrem vierten Album wieder ein stimmliches Ereignis. Nach kulinarisch inspirierter Pause vom Musiibetrieb sind LWs Akkus wieder aufgeladen mit Gospel und Material von Meshell Ndegeocello, Eric Clapton, Jimi Hendrix oder Angelique Kidjo, die auch zweimal mit am Mikro steht. www.lizwright.net