Reviews World 11-11

* soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * audiobook *

 The Dynamics - 180.000 Miles & Counting 
 Big Single / Indigo 
 
 
Man kann es wohl nur mit dem unbändigen Drang des dynamischen Franco-Afrique-Ensembles aus Lyon auf die Konzertbühnen erklären, warum seit ihrem erfolgreichen, mit mitreißenden Cover-Versionen gespickten Debütalbum "Versions Excursions" Ende 2007 vier Jahre bis zum zweiten Wurf vergangen sind. Aber "180 000 Miles & Counting" hinterlassen eben auch Spuren bei den Beteiligten. Nach dem Abgang von Bruno ´Patchworks´ Howard und kurzer Besinnungspause macht der Rest der Truppe um die Sänger Mounam, Mr. Day & Steve Levi nun mit dem vorliegenden, überraschenderweise vornehmlich Eigenkompositionen enthaltenden Reisetagebuch à la Reggae,Dub & Soul zusammen weiter. Opener ist dennoch wieder eine Coverversion: "Money", ursprünglich im Philly-Sound der O’Jays, später versucht man sich an Lou Reeds Klassiker "Walk On The Wild Side". Im Februar werden die Dynamiker dann für wenig Geld live in deutschen Landen zu sehen sein - watch this space, or: www.thedynamics.free.fr
 
 
 
 Fatoumata Diawara - Fatou  
 World Circuit / Indigo 
 
 
Fatoumata Diawara kommt aus der in der krisengeschüttelten Elfenbeinküste (und ist nicht zu verwechseln mit ihrer älteren senegalesischen Namensvetterin), ist aber in Mali aufgewachsen und heute in Paris beheimatet. Ihr Debütalbum bringt auf melodiöse Weise Elemente aus Jazz, Pop und Folk mit traditionellen Wassoulou-Song-Strukturen zusammen, all das ausgerichtet auf ihre auch für westlich geprägte Ohren angenehme, mal sanfte, mal leicht aufgerauhte Stimme und sparsames, rhythmisch akzenntuiertes Gitarrenspiel. Auf diesen Cocktail wurden bereits Materiekenner wie Damon Albarn, Toumani Diabaté oder Herbie Hancock (anlässlich seines "Imagine"-Projektes) aufmerksam. Nach Fatous Mitwirken beim auch an dieser Stelle gewürdigten "Afro Cubism"-Zusammentreffen macht sich das Talent nun mit einem gelungenen Debüt an den nächsten Karriereschritt.  
 
 
 Frente Cumbiero meets Mad Professor 
 Vampisoul / Cargo 
 
 

Seit 1999 spielt das Cumbia-Kollektiv aus der kolumbianischen Hauptstadt in unterschiedlicher Besetzung auf den Bühnen lateinamerikanischer Metropolen von Mexiko bis Argentinien. Als vom kolumbianischen Außenministerium ausgewählte Künstler dürfen sie mittlerweile sogar die kolumbianische Musikkultur im Ausland repräsentieren. Nachdem die Cumbia über Spanien auch in Europa angekommen ist (siehe Gotan Project) und neue, Spielarten wie Cumbia Electrónica, Nueva Cumbia oder Cumbia Digital hervorgebracht hat konnten sich Frente Cumbiero (Pedro (Schlagzeug), Eblis (Gitarre), Marco (Klarinette) & Mario (Keyboard, Electronics) ) sogar durch das British Council fgeördert - mit dem notorischen Mad Professor zusammentun, der sechs ihrer Tracks zusätzlich einem Dub-Treatment unterzieht (+ 1 Extra-Track). Funktioniert - Vampisoul (aus Madrid) hat´s ja gewusst.

 
 
 Mariachi El Bronx - II 
 Wichita / PIAS - Rough Trade  
 

Fans von Calexico, Los Lobos und Manu Chao sollen wohl von der 2. Scheibe der mexikanisierten Ex-Punker von The Bronx angesprochen werden. Mariachi El Bronx reiten nach Touren mit den Flaming Lips, Foo Fighters, Gogol Bordello oder The Killers die auch auf dem ersten Album schon Längen aufweisende Masche allerdings mit dem vorliegenden Album endgültig in die Todeszone nordwestlich von Tijuana. Vincent Hidalgo, Sohn des Band-Leaders von Los Lobos brachte die 2007 noch komplett neuen musikalischen Einflüsse mit in die ehemalige (L.A.)Punk-Band. Inzwischen klingt Mariachi El Bronx mit dem schwachbrüstigen Lead-Gesang von Matt Caughthran und jeder Menge schlagerhafter Refrains in der Tat wie eine verweichlichte Lobos-Version, da hilft es auch nichts, auch noch Reyna de Los Angeles, die bisher einzige All Girl Mariachi Band Amerikas, aufzubieten.

 


 
 
 Szen Aksu - Öptüm 
 World Village / Harmonia Mundi
 
 
 
Sezen Aksus Verdienste um eine türkische Popmusik mit Haltung während ihrer 36-jährigen Karriere sind immens. Bei aller Schlagernähe sind ihre selbstgeschriebenen und -produzierten Songs zumeist feministisch, politisch und sozial engagiert. Von Fatih Akin und vielen anderen türkischen Kreativen wird die der Presse gegenüber reservierte Diva unter anderem auch für ihr Eintreten für eine Verständigung zwischen Armeniern und Türken verehrt. Bisher hatte Aksu bei ungebrochener Popularität wenig Grund, aus dem türkischen Kosmos auszubrechen. Sogar viele ihrer Backroundsängerinnen Askin Nur Yengi, Harun Kolçak, Sertab Erener, Yildiz Tilbe oder Levent Yüksel sind dort selbst zu Stars geworden. Sezen Aksu komponierte an die 500 Songs, u.a. auch Tarkans weltberühmten KissKiss-Hit "Simarik". Und auch "Öptüm", der Titel ihres 24.(!), von ihrem Sohn Mithat Can co-produzierten Studioalbums bedeutet "Küsse". Die werden über einem, immer noch ganz auf den türkischen Markt ausgerichteten musikalischen Reigen von Balladen, Arabesken, anatolischer Folklore & gelegentlichen Uptempo-Beats unter Roma- oder Ska-Einfluß verteilt. www.sezenaksu.com.tr  
 
 
 Boundzound - Ear 
 Ministry of Sound / Warner 
 

Seeed hat sich aus dem Live- und Berlin-Ding neben der Dimension als funktionierendes Wirtschaftsunternehmen über seine drei Frontleute auch zu einer veritablen Kreativzelle der Hauptstadt entwickelt. Nach Peter Fox und Dellé hat nun auch Demba Nabeh aka Boundzound ein kompaktes, an verschiedenen Orten der Welt entstandenes Solo-Album hingelegt. Auf "Ear" produziert, textet und singt Boundzound nicht nur, sondern auch legt Platten auf, spielt Klarinette und wirkt als bildender Künstler, der auch die Gestaltung der Cover verantwortet. Seine Gemälde in Kugelschreiber-Technik entwuchsen einem Kinderbuchprojekt mit den gleichen starken westafrikanischen Einflüssen , die sich in seiner Musik wiederfinden. Die wirkt innerhalb des umfassenden Konzeptansatzes ebenfalls nicht uninteressant, doch in ihrem Eklektizismus öfter etwas unentschieden & überproduziert, zumal der Gesang manchmal doch fatal ins Eddy Grant-Hafte lappt.

 


 
 
 Tinariwen - Tassili 
 Cooperative / Universal  
 
 

Gerade waren sie wieder einmal auf Stippvisite Die Tuareg-Wüstenbluesrocker von Tinariwen, die mit "Tassili" bereits ihr fünftes Studio-Album veröffentlichten, zählen prominente westliche Kollegen zu ihren Fans: Thom Yorke, Damon Albarn, Chris Martin oder Robert Plant Rock mit traditionellem afrikanischem Folk am „Leeren Ort" was, der Bandname in Referenz zum Lebensraum der Wüste bedeutet. Die Stücke des Kollektives handeln immer noch von den oftmals harten Lebensumständen in der Sahara, Erlebnissen in Lybiens Militärcamps und der Exilanten-Sehnsucht nach einem Zuhause - und dem Drang nach Freiheit & Unabhängigkeit. Diesmal waren illustre Gäste bei den Aufnahmen willkommen, so Nels Cline (Wilco), die Dirty Dozen Brass Band, sowie Tunde Adebimpe & Kyp Malone (TV On The Radio). Deren BBC-Kommentar:"We were simultaneously stunned we´d never heard of them before and amazed at how bad they made everyone else look!"

 
 
 
 This is Augustus Pablo / The Impact Allstars - Java Java Java Java
 
 beide: 17 North Parade - Groove Attack  
 
 
Zweimal gut abgehangener Dub Deluxe aus dem Hause 17 North Parade. Das erste Album präsentiert die legendäre Augustus Pablo-Produktion aus dem Jahr 1974. Ob als Solo Artist unter der Ägide von Lee Perry , Clive & Leonard Chin oder selbst als Producer, "Dub Organizer" Pablos einzigartiger Melodica-Sound gehört untrennbar zum Weltkulturerbe des Reggae. Wer noch keine seiner Scheiben hat, macht keinen Fehler, mit diesem Re-Issue anzufangen, da das Album als erstes die Melodica ganz in den Vordergrund stellt und gleich zwei Bassisten aufbietet: Aston Barrett & Lloyd Parks. In den siebziger Jahren brachte Pablo in der Folge eine erkleckliche Anzahl von Hits heraus, bis seine Karriere in den achtziger Jahren abebbte (Pablo verstarb 1999 in Kingston). Die CD hat ein informatives Booklet zu Biographie & Schaffen des Künstlers auf der Habenseite, während es für Vinyl-Liebhaber das Ganze auch als Doppel-LP gibt.

Fast zeitgleich im Regal: Re-Issue des bahnbrechenden Meisterwerk "Java Java Java Java" der Impact Allstars von 1972 - erstmalig auf CD ( in guter Klangqualität und parallel auch als LP wiederveröffentlicht). Dieser Longplayer gilt als das erste richtige auf Jamaika veröffentlichte Dub-Album (zunächst in einer Auflage von 500 Stück auf Clive Chins Impact Label), das seitdem mehrere Generationen von Produzenten und Musikern unterschiedlicher Musik-Genres nachhaltig beeinflusst hat. Die Allstars sind: Chinna Smith, Fully Fullwood, Lloyd Parks & Aston 'Family Man' Barrett, (s.o.), T. Valentine, Rad Bryan, Horace Swaby, A. Ballett & ein gewisser Tyro. Der Kerntrack von Track 6, "Java" stammt von? Richtig, Augustus Pablo.

 


 
 
 Bambara Mystic Soul
 
 

Various Artists - Analog Africa / Groove Attack

 
 
 

Analog Africa Numero 10 bietet: "Bambara Mystic Soul - The Raw Sound Of Burkina Faso 1974 - 1979". Der in der Tat recht naturbelassene Klang der 16 hier versammelten Bands aus der Sahelzone kombiniert Afro-Funk, traditionelle Rhythmen islamischer Musik und subtile Afro-Latin-Sounds. Mandingue-Melodien und Gitarrenspiel nach Mali-Art sind Hauptcharakteristika des sogenannten "Voltaic"-Stils der Jahre zwischen 1974 und 1979. Nur Insider werden mit Namen wie Amadou Ballaké et l´Orchestre Super Volta, Mamo Lagbema, Sandwidi Pierre et l'Harmonie Voltaique, Compaore Issouf oder Orchestre CVD schon vor der Begegnung mit diesem von Samy Ben Redjeb zusammengestellten Sampler vertraut gewesen sein. Das vielfach für seine Grabungsarbeiten in den Archiven des Kontinents ausgezeichnete Label Analog Africa mit einem weiteren Leistungsnachweis.

Shin Yoong Hyun - Beautiful Rivers & Mountains Light In The Attic / Cargo

Aus Südkorea gibt es hierzulande nur selten musikalische Signale und vor Ort steht auch der Interessierte in aller Regel vor einer nicht zu unterschätzenden Sprach- und Schriftbarriere. Zumal wurden aus politischen Gründen zahlreiche Masterbänder unsicherer Kantonisten von den Machthabern zur Vernichtung bestimmt. Umso interessanter nun diese von 1958 bis 1974 reichende Retrospektive des Schaffens von Shin Joong Hyun. Der Sänger & Gitarrist spielte abseits der nach dem Koreakrieg gängigen schlagernahen Populärmusik von Jazz, Soul, Beat und traditioneller koreanischer Musik beeinflusst und verhalf mit zunehmender Bekanntheit auch als Produzent u.a. dem Duo Pearl Sisters und der Folksängerin Kim Jung Mi zu Chartserfolgen. Unter dem Einfluß der 60´s Rockexplosion in den USA & Großbritannien wurde Sins Stil psychedelischer. Als er sich 1972 weigerte einen Jubelsong für den Staatspräsidenten Jung-hee Park zu schreiben, wurde er massiv verfolgt und in seinem künstlerischen Schaffen behindert, wovon sich die Karriere des heute zuückgezogen lebenden Rockpioniers nicht mehr erholte. Vorbildliche DigipakAusstattung. TIPP

 


 
 Rough Guides: African Lullabies / World Playtime / World Lullabies 
 Various Artists - Rough Guide - World Music Network / Rough Trade 
 
 3x Nachschub für Rough-Guide-Sammler und diesmal insbesondere auch für Eltern, große und kleine Kinder und andere Interessierte an sogenannter World Music für die Jüngeren und Jüngsten. (Musikalische) Kinderprogramme werden ja nicht nur meist von Erwachsenen gemacht, sondern auch mehrheitlich von ihnen gehört (und geschaut) als von Kindern selbst. Kinderlieder aus der ganzen Welt, von Indien bis Kolumbien, von Spanien bis Mali und ins jüdische Schtetl. Die Schlafliedern aus Afrika & aller Weltbeispielsweise stellen keine sedierende Einschlafhilfe darm, sondern sind eine vom RG-Team gewohnt feinfühlig zusammengestellte Auswahl hochwertiger, ruhiger Tracks von Angelique Kidjo, Saba, Chiwoniso, Omara Portuondo, Ali Farka Touré oder Talitha McKenzie und natürlich auch von ´Mama Africa´, Miriam Makeba. Die jeweils dazugehörenden Bonus-CD bieten den Black Umfolosi Five und Virginia Mukwesha (beide aus Zimbabwe) ein Forum - mit sogar recht munterem Repertoire. "World Playtime" überrascht nach weltweit verspieltem Repertoire von Chico César, über Aurelio Martinez aus Honduras oder Lura von den Kapverden sogar mit einem Instrumentalalbum des sonst als "Yeke Yeke"-)Sänger bekannten Griots Mory Kante aus Guinea. www.worldmusic.net
 
 
 
  
 
 Previous Issue: 8/9 - 2011 © cinesoundz 2011

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