reviews crossover 04-2013

* soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * film * comic * book *

 Maria Markesini - Cinemapassionata  
 Coast to Coast / Amazing Music  
 
 
Zunächst ist man gespannt. Die zunächst als Pianistin gestartete griechische Sängerin Maria Markesini ließ sich durch Open Air Filmaufführungen aus ihrer Kindheit zu diesem `Filmliederbuch´ inspirieren. Der aus dem griechischen Film "Never on Sunday" mit Melina Mercouri stammende oscarprämierte Titelsong darf da nicht fehlen. Es folgt eine bunte Palette genremäßig meist zwischen Balladen & Jazz angesiedelter Stücke von Henri Mancini bis Theodorakis, hin und wieder eingebettet in hörspielartige Ambient-Passagen. Für die beiden Eigenkompositionen hat sich die gelegentlich nicht nur wegen des roten Haarschopfes an Milva erinnernde MM von den Streifen "Mikrokosmos" und "Amistad" inspirieren lassen und zitiert sogar anderthalb Minuten aus dem legendären "The Millionairess"-Duett von Sophia Loren & Peter Sellers ""Goodness Gracious Me". Leider übertreibt es die Markesini bei Stücken wie "With Wandring Steps" aus "The Merchant of Venice" oder dem folgenden "Rolls" von Stephane Grapelli (aus "Les Valseuses") mit den Phrasierungen in der hohen Tonlage etwas. Wenn es zu angestrengt klingt, tritt der ambitionierte Film-Ansatz des Albums in den Hintergrund, wie leider auch im als großes Finale angelegten "Licramente" von Ennio Morricone.  

 
 
 Caroline Henderson - Lonely House  
 Sony Classical TIPP
 
 
 
Kurt Weill wird ja in Abständen immer wieder mal von nachfolgenden Generationen von Populärmusikschaffenden neu entdeckt. Man denke an Hal Willners Tribute-Album "Lost In The Stars", Stings "Mack The Knife"-Abende oder David Bowies "Baal"-Performance, in der auch ein Weill-Stück vorkam. Nun lässt sich die schwedisch-amerikanische, aber in Dänemark lebende Sängerin Caroline Henderson, teils vom Jazz kommend, teils mit dunkler Pop-Attitude mit bekannten und weniger bekannteren Weill´schen Kompositionen ein. Dabei gelingt es ihr mehrfach, dem Repertoire neue Aspekte abzugewinnen wie in einer tollen Version von "Speak Low". Experimentellere Passagen gibt es ebenfalls - lohnendes Album, zudem bestechend designt (Ulrik Borberg / danesadwork).
http://carolinehenderson.com/
 

 
 
 Sharon Brauner - Jewels  
 Solo Musica / Sony  
 
 
Auf "Glücklich Unperfekt" von 2009 war bereits/nur ein jiddisch gesungenes Stück enthalten - auf dem aktuellen Album "Jewels" setzt Sharon Brauner nun alles auf die nostalgisch-jiddische Karte, von "Bay mir bistu sheyn" (in gleich zwei Versionen) über "Rozinkes mit Mandlen" von Abraham Goldfaden bis "Oyfn Pripetshik" aus dem Soundtrack von "Gloomy Sunday". Die Besinnung auf die Sprache ihrer Vorfahren wird durch ein sehr persönlich ausstaffiertes 31-seitiges Booklet flankiert - die meisten enthaltenen Familien-Fotos hat SBs Vater Wolf Brauner geschossen, viele von seiner Frau, einige per Selbstauslöser. Und die Schallplattensammlung der Eltern machte Klein-Sharon mit der hier zelebrierten Musik bekannt, für die sich die (West-)Berlinerin den jiddischen Jargon ab 2009 (zunächst vorrangig live) neu, aber glaubhaft zu eigen machte. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie schnell diese Sprache in meiner Gosche drin war." www.sharonbrauner.de

 
 
 
 Friedman & Liebezeit - Secret Rhythms 5  
 Nonplace / Groove Attack  
 
 
Schon zum fünften Mal (innerhalb von 12 Jahren) begeben sich Can-Schlagwerker Jaki Liebezeit und Burnt Friedman auf eine gemeinsame "Secret Rhythms"-Trommelreise. Liebezeit gibt den Takt vor, um den sich Friedmans metallene Perkussion und sein Synthie-Instrumentarium herumschlängeln. Die acht Stücke haben diesmal regelrechtes Songformat -
alles drei bis fünf Minuten. Nicht gerade selbstverständlich, wenn man Liebezeits mäandernden, intuitiv repetitiven Stil auf seinem speziell reduzierten Schlagzeug und den hier mitgelieferten Theorie-Überbau von auf die Instrumente übergehenden Bewegungsabläufen des menschlichen Körpers kennt. Auf die frühen Can bezogen: "das Protokoll eines Gruppenprozesses, der nie zuende ging oder eine Idee eines abgeschlossenen Stückes gehabt hätte. Für Can- und Trommel-Forscher ein gefundenes Fressen. Für andere eher akademisches Programm, wenn auch wegen der universellen Drumcodes nicht komplett unzugänglich.
 
 
 
 Kitty Hoff & Foret Noire - Curiose Geschichten  
 Herzog Records / Edel LIVE-TIPP  
 
 

Ja, Kitty Hoff & ihre ganz eigenen Popchansons. Das "Gurren, Schnurren, Rascheln, Säuseln, Seufzen..." aus dem Schwarzwald - das waren & sind auf dem vierten, aktuell von Herzog Records wiederveröffentlichten Studioalbum von 2010 ganz spezielle Interpretationen von Robert Schumanns "Kinderszenen" & dem "Album für die Jugend" - aus Anlass des 200. Geburtstags des Romantik-Komponisten. Unter Nutzung von Versatzstücken aus Jazz, Bossa Nova, Rumba und Chanson entsteht eine sehr freie, deutsch gesungene & auch mal Element of Crime-nahe Version derKlavierzyklus-Vorlage. Derzeit sind Kitty Hoff & ihr kongeniales Ensemble Foret Noire allerdings mit ihrem aktuellen Programm, der Agonautenfahrt live in Deutschland unterwegs. www.kittyhoff.de

 

 
 
 Aufgang - Istiklaliya / Bachar Mar-Khalifé - Who´s Gonna Get The Ball From Behind...  
 beide: Infine / Groove Attack LIVE-TIPP & VINYL-TIPP  
 
 

Francesco Tristano (Luxemburg) arbeitet mit Aymeric Westrich (Frankreich) und Rami Khalifé (Libanon) bereits seit 2001 zusammen, wenn auch erst seit 2005 als Trio Aufgang (Debut 2009). Mittlerweile ist man gut aufeinander éingespielt, wie das neue, Mitte April anstehende Album mit seinen dynamischen, meist vom Piano angetriebenen Grooves beweist. Auf zwei Klavieren plus Synthies sowie Drums & Percussion wird eine Vielfalt von Klängen abgerufen, die sich wenig um Genregrenzen schert. Sowohl an Elektronik, Clubmusik oder moderner Klassik Interessierte werden durch einzelne Tracks auf “Istiklaliya” bedient. Die perkussiven Tasten-Grenzgänger sollte man live erleben. Play Track 3. Im Moment tourt Aufgang in Frankreich, im Juni stehen dann 2 Konzerte in Deutschland auf dem Programm. Rami Khalifés jüngerer Bruder Bachar Mar-Kahlifé hat bereits im März mit ”Who’s Gonna Get The Ball From Behind The Wall Of The Garden Today?” sein zweites Album auf Infiné veröffentlicht. Er bewegt sich ebenfalls zwischen den Polen Piano & Percussion, wobei her eine Pop-, Jazz- & World-Music,-Komponente hinzukommt. Auch für ein Serge Gainsbourg Cover ist Raum: "Machins Choses" mit Kid A (Big Dada) am Mikro. www. infine-music.com

 

 
 
 Nigel Kennedy - Recital  
 Sony Classical LIVE-TIPP
 
 
 
Neues vom immer mal wieder unberechenbaren Grenzgänger Nigel Kennedy, nach "The Four Elements" erneut bei Sony Classical. Bunt geht es auch diesmal durch die Genres. So widmet sich Kennedy (fünfmal) dem Jazz-Pianisten Fats Waller, seinem "Gegengift angesichts der oberflächlichen und falsch lächelnden Musikwelt", (zweima)l Johann Sebastian Bach, seinem erklärten Lieblingskomponisten, ebenso wie Dave Brubecks ´signature track´"Take Five" - mit einer Version, die auch ein Tribute an seinen Lehrer Yehudi Menuhin geworden ist. Musik also , mit der NK aufwuchs oder in der er sich zu Hause fühlt. Am 4.4. kommt Nigel Kennedy wieder einmal in die Münchner Philharmonie, eine Tour durch Deutschland & die Schweiz schließt sich an.
www.nigelkennedy.de/
 

 
 
 Morton Gould - American Legend  
 Naxos  
 
 
Wem der Name Morton Gould vor allem von seinen Dirigaten bei der legendären `Living Stereo´-Reihe von RCA aus den 1950er Jahren etwas sagt, den mag auch seine Tätigkeit als Komponist interessieren. Der 1996 verstorbene New Yorker Gould startete seine überaus erfolgreiche Karriere als echtes Wunderkind am Piano und komponierte bereits in einem Alter, in dem seine Kameraden noch im Sandkasten spielten. Über Vaudeville, Musikstudium, Radio City Music Hall und NBC arbeitete der sich zum begehrten Radio-Dirigenten hoch, der sich leisten konnte, stets nebenher auch zu komponieren. Durch Stücke für den Broadway sowie Film- und TV-Serienmusiken wurden auch seine Ballette und Orchestermusiken, in denen er Jazz-, Blues- & Gospelelemente anklingen ließ, war Gould in den Staaten sehr populär, zudem stand er den wichtigsten US-Orchestern vor und wurde schließlich auch ASCAP-Präsident. Die vorliegende Dreierbox versammelt mit drei unabhängig voneinander entstandenen Einspielungen aus dem letzten Jahrzehnt einige von Goulds maßgeblichen Kompositionen.  

 
 
 Andris Nelsons - Dvorak - Symphonie Nr.9 / Simon Rattle - Stravinsky
 
 Various Artists - Br Classics / Naxos * EMI Classics  
 
 

Zwei auch für Filmmusikfans interessante Neueinspielungen von E-Musik-Repertoire-Klassikern. Zunächst Antonin Doraks 9. Symphonie "Aus der Neuen Welt", mit der der Tscheche meisterhaft, von Quellen- und Literaturstudium inspiriert & unter Einbindung in indianischer und afroamerikanischer Musik vorkommender Elemente, eine ´Americana´ geschaffen hat, bei der sich nachfolgende Komponistengenerationen (vor allem in Hollywood) stets dankbar bedienten. Im Booklet wird mit historischen Fotos und die Liner Notes von Bernhard Neuhoff auf Dvoraks dreijährigen Amerikaaufenthalt als Direktor des Nationalen Musikkonservatoriums eingegangen. Es spielt das Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks, dirigiert vom den Münchnern spätestens seit seinem Einsatz beim Open-Air Event "Klassik am Odeonsplatz" 2012 wohlbekannten und international gefragten lettischen Dirigenten Andris Nelsons, der auch schon mit den Berliner Philharmonikern aufgetreten ist. Es ist nicht nur der (kalendarische) Frühlingsbeginn, dem Klassikfans die neueste Aufnahme von Igor Stravinskys "Le Sacre du printems" mit Sir Simon Rattle & seinen Berliner Symphonikern verdanken. Die im Dezember 2011 bei drei Konzerten in der Philharmonie mitgeschnittene Musik erscheint aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Pariser Uraufführung des Balletts am 29. Mai 1913. Diese tumultartige Premiere, während der im Publikum sogar handgreifliche Auseinandersetzungen ausbrachen, geriet zu einem der größten Theater-Skandale überhaupt und gilt seitdem auch als Geburtsstunde der musikalischen Moderne. Rattle wiederum schien als mehrfach profilierter Strawinsky-Interpret, der sich u.a. mit dem für Berliner Schüler offenen Tanzprojekt "Rhythm is it" um die Auseinandersetzung mit dem Repertoire in der Gegenwart verdient gemacht hat, besonders geeignet, dieses Ereignis erneut vom Pult aus zu inszenieren. Ergänzt wird "Sacre" durch 2 Orchesterwerke Stravinskys aus den 1920er-Jahren, die 10-minütige Bläsersinfonie & das neoklassizistische Ballett "Apollon musagète".

 




 
 
 
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