Reviews World 6-7-2014

* soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * Brazilspecial *
 Datapanik - Fuente * film * comic * book * 
 Datapanik TIPP 
 

Vor kurzem stand die kleine Karibikinsel Aruba vor der Küste Venezuelas schon einmal an dieser Stelle im Focus. Anders als der im Münchner "Exil" aufgeblühte Wally Warning ist der holländischstämmige DJ-Producer Michael Lampe mit seinem Band-Projekt Datapanik in seiner Heimat ein Star, der Venues wie die 50´s-modernistische Cas di Cultura in Oranjestad erst kürzlich wieder, zur Release-Konzertsause für das neue Album "Fuente" locker ausverkauft - und das sogar parallel zum größten Musik-Event der Insel, dem US-dominierten Soul Beach Music Festival. Datapanik bekennt sich noch stärker als Warning zum Inseldialekt Papiamento, denn auf "Fuente" geht es thematisch vor allem um Traditionen, die verlorenzugehen drohen. Für Skeptiker: einen guten ersten Eindruck vom arubanischen Tambu-Folk, den Lampe hier mit Electro- und Popelementen fusioniert, vermittelt das bunte Video zum Album-Opener & Titeltrack. Veritablen Hitappeal bringt der zweite Track mit: "Raiz". Das Album ist als CD & Download über die Website des Projekts erhältlich: http://datapanikofficial.com/ Upcoming: Aruba-Music-Special - watch this space.

 


 
 DJ Vadim - Dubcatcher  
 BBE / Alive
 
 
 

Als russischer Einwanderer bedient DJ Vadim das Klischee des Dub- & Dancehall-DJs erstmal eher nicht. Hört man aber seine neueren Sets oder gar die vom Wahl-Londoner aktuell mit den Fachkräften Governor Tiggy, Jimmy Screech, Dynamite MC oder Gappy Ranks am Mikro rausgeschleuderte "Dubcatcher"-Produktion, ist man schnell eines Besseren belehrt. Vadim aka Daddy Vad setzt zunehmend auf `jamaican stuff´, der bei seinen ersten Tracks aus den 90ern und der langjährigen Arbeit mit den Neuseeländern von Fat Freddys Drop auch schon mehr als sachte anklang. Diesen amplifizierten Reggae- & Dub-Backbone versetzt the Vad noch gekonnt mit Soul-, 2-Step & Hip Hop - auf das sich die Tanzbeine Umstehender garantiert unkontrolliert verselbständigen. Auf Albenlänge nicht herausragend, but quite nice. Play Tracks 6,7 (feat. Katrina Blackstone!), 8. www.djvadim.com

 



 
 
 Tiken Jah Facoly - Dernier Appel 
 Barclay - Wrasse / Universal  
 
 

Den politisch letzten Appell hält mittlerweile Afro-Reggae-Warrior Tiken Jah Facoly für angemessen. "African Diaspora - we Need you." Für sein neues Album hat er sich nicht nur illustre, auch hierzulande einschlägig bekannte Gäste wie Nneka, Patrice oder den ivorischen Kollegen Alpha Blondy zur Unterstützung ans Mikro gebeten. Musikalisch dominiert weiterhin mal französisch, mal englisch gesungener Roots-Reggae west-afrikanischer Prägung, ergänzt um eine in Bamako aufgenommene Ballade zu Kora & Ngoni-Begleitung: "Tata". Ungebrochen bleibt Tiken Jahs Erfolgsrezept, der panafrikanische Appell an Gesellschaft & Politik, "we gotta find a solution for the sake of our whole continent..." Am 5. Juli tritt Tiken Jah Facoly auf dem Montreux Jazz Festival auf. Näher wird man ihm in nächster Zeit nicht kommen - die Live-Aktivitäten beschränken sich in diesem Jahr wohl auf den frankophonen Teil der Welt. www.tikenjah.net/

 

 
 
 Rodrigo y Gabriela - 9 Dead Alive / Sergio Mendes - Magic  
 Pias - Cooperative - Rubyworks / Rough Trade * Okeh / Sony  
 
 

Nach ihren kürzlichen Auftritten auf den Hurricane & Southside Festivals dürfte das dynamische Power-Akustik-Gitarrenduo wieder einige Fans dazugewonnen haben. Fünf Jahre nach dem letzten regulären Studioalbum melden sich die Mexikaner Rodrigo y Gabriela mit neuem, in ihrem Studio in Ixtapa aufgenommenen und in L.A. von Andrew Scheps (Black Sabbath, Adele, Metallica, Lana Del Rey) abgemischtem Material zurück. Die neun Instrumental-Eigenkompositionen auf "9 Dead Alive" sind jeweils bedeutenden Persönlichkeiten aus Literatur, Geschichte und Philosophie gewidmet, die in den Liner Notes im Booklet ausführlicher vorgestellt werden - leider in Winzschrift & Rot-Schwarz-Kontrast extremst schwer zu entziffern. Wahre Fans werden es auf sich nehmen, oder einfach die Gitarrenläufe auch ohne Überbau genießen. Als Beigabe gibt es eine Bonus-DVD mit Making of, Einblicke in die Studioarbeit von Rod & Gab und einem 30-minütigen Guitar-Tutorial. www.rodgab.com/

 


 
 
 Los de Abajo - Mariachi Beat  
 Flowfish Records / Broken Silence  
 
 
Die Los de Abajo-Latin Ska-Fraktion aus Mexiko City meldet sich mit ihrem achten Album zurück, auf dem die mexikanischen Underdogs (s.a. Track 5, Parallelen zum derzeitigen Football World Cup sind rein zufällig) gewohnt lebhaften "Mariachi Beat" servieren. Salsa & Merengue werden mit HipHop, Funk und Punk-Energie zu einem höchst tanzbaren Mix verquirlt. Sängerin Tanja Melo, die famose Bläserfraktion, quirlige Percussion und gelegentliche Effektiv-Samples sorgen insbesondere live auf großen und kleineren Festivalbühnen rund um den Globus für heiße Konzerte. Derzeit scheinen die Liveaktivitäten, die neunköpfige Band den Juni hindurch auch nach Deutschland führen, der Band keine Zeit für eine amtliche Webpräsenz zu lassen - vorerst ist das Kollektiv über ihre Booking Agency im Netz. Los de Abajo ist in ihrer Heimat ebenso für ihr starkes politisches Engagement & gesellschaftskritische Statements bekannt, was den des Spanischen mächtigen Fans auch hierzulande nicht verborgen geblieben sein dürfte: Companeros & Companeras de Trabajo - unite!  

 
 
 Coconami - San / The Sound of Siam Volume 2
 
 

Trikont / Indigo * V.A. - Soundway / Indigo

 
 
 

 

Das japanische, München-ansässige Duo Coconami mit dem dritten Album, “San” - auf japanisch heißt das auch genau: ‘drei’. Oder soll es gar bayrisch sein? Die Ukulele-Fans nehmen sich jedenfalls erneut Klassiker unterschiedlicher Pop-Genres vor, u.a. als Opener Celentanos´ “Azzurro” (als Uku-Lesefassung), "Blue Moon", “Ghost Riders In The Sky” oder Mancinis "Baby Elefant Walk" (aus "Hatari"), letzterer auf Spielzeuginstrumenten. Selten innovativ, aber meist doch reduziert-charmant & japanisch gesungen - eben `coconamisiert´. Highlight dieser Fremdtitel ist der im Nami-Akzent nachgebetete Tom Tom Club-Hit "Wordy Rappinghood". Daneben gibt es die (eher schwächere) bajuwarische Seite: die unvermeidlichen Ferdl Schuster-Beiträge und man/frau covert den Spider Murphy Gang-Titel "Sommer in der Stadt". Als Gastsänger beschwert sich Ken Hatada über die “Dicke Bäckerfrau”, was neben Höflichkeit in einer anderen Dimension gewöhnten Japanern auch andere Münchner als Deja-Vu erleben dürften.
www.coconami.com

And now for something completely different - wobei: asiatische Fusion gibt es auch hier zu entdecken. Zum zweiten Mal hat sich das Soundway-Label der obskuren Thai-Musik der Seventies angenommen. Im Fokus steht diesmal Nord-Ost-Thailand, Epizentrum der sogenannten Molam und Luk Thung Isaan-Musik. Anhand von insgesamt 19 (meist erstmalig außerhalb von Thailand veröffentlichten) Perlen des Genres werden in wechselnden Anteilen ländliche, akustische Folk-Traditionen, Gesangs-Improvisationen und Pop-Einflüsse von 1970 bis´79 vorgeführt. Luk Thung bedeutet wörtlich "Lied der Landschaft" - für den Musikstil stehen hier Künstler wie Saksiam Petchompu, der begann, westlichen Funk in seine Titel einfließen zu lassen. Auch als Doppel-LP, mit ausführlichen Liner Notes der Compiler Chris Menist & Maft Sai. Das dergestalt voll ausgestattete Album hat sich zwar an dieser Stelle noch nicht materialisiert, wir bleiben mal siamesisch positiv und hoffen auf ein besseres Ende als mit Vol. 1: "The Sound of Siam". Play Tracks 3,4,6,11,12,19. www.soundwayrecords.com

 




VINYL-TIPP


 

 
 
 Niasony - Afroplastique  
 Membran / Sony LIVE-TIPP 
 
 

Das per Crowdfunding über finanzierte Album kongolesischen Sängerin Niasony Okomo hat die ganz ähnlich klingende Plattenfirma zumindest davon überzeugt, "Afroplastique" in den Vertrieb zu nehmen. Niasony wird angeblich in ihrer Heimat als kommender Star gehandelt, protegiert und gefördert von Zaires Altstars wie Papy Tex und Empire Bakuba. Allerdings verliess sie Brazzaville bereits mit dreizehn Jahren in Richtung Deutschland. Die 13 Songs ihres Debütalbum sparen heikle Themen nicht aus: Waisenkinder, Hunger, Bürgerkrieg, Verzweiflung und Hoffnung. Niasony singt meist auf Lingala, in der Landessprache ihrer alten Heimat. Rythmisch dominieren moderne Beats mit Reggae-, Downtempo-, Funk-, Afro-Soul- oder Soukous-Einflüssen. Auf den Münchner Afrika-Tagen konnte man Niasony schon live sehen, weitere Gelegenheit dazu besteht ab dem 26.7. auf einigen Sommer-Festivals im deutschspachigen Raum. Play Tracks 1-3,11. http://niasony.com/

 

 
 
 Feloche - Silbo  
 EMI France / Galileo MC LIVE-TIPP 
 
 

Multiinstrumentalist mit Markenzeichen Mandoline. Auf seinem zweiten Album erkundet der französische Musiker unter anderem die Musik der Insel, von der sein Stiefvater Bonifacio Santos Herrera stammt: La Gomera. Die eigentümliche Pfeifsprache der Kanarenininsel, immaterielles Weltkulturerbe, gab dem Album und dessen erstem Track den Namen: "Silbo". Genau dieser Track, der das Schicksal Herreras zum Thema hat, schlug auch die bisher größten Wellen - auf Gomera und verschiedenen französischen Radiosendern. Weitere Einflüsse (Balkan & New York City Rap) treten in Feloches Werk am Mikro in Erscheinung: in Gestalt der weiblichen Gäste Rona Hartner & Roxanne Shanté. Play Track 1. Am 19.7. tritt Feloche, der sonst bevorzugt im französischsprachigen Raum tourt, live beim Open Air am Pariser Platz in Berlin auf. www.feloche.fr

 

 
 
 Ragga Ragga Ragga 2014 / Soca Gold 2014 Sonido Gallo Negro - Sendero Mystico / Ray Lugo - Que Chevere!
 
 Various Artists - Greensleeves * VP / Groove Attack * Glitterbeat / Indigo * Freestyle / Groove Attack 
 
 

Sex Sells - vier mal in unterschiedlicher Dosierung. 1- Für kein Genre durfte das mehr gelten als fuer jamaikanischen Dancehall. Die aktuelle "Ragga"-Ausgabe lässt da kaum Fragen offen. Explicit Lyrics bis zum Anschlag - u.a. Genre-Stars und Newcomern wie Alkaline, Busy Signal, Bugle, Don Husky, dem notorischen Elephant Man (hier vs. Spice), Gyptian, Radijah, Spice (again) oder Knastbruder Vybz Kartel - 'All killer no filler' ist wieder mal der Anspruch, der Connoisseuren des Genres zur abschließenden Beurteilung überlassen sei - denen werden auch die Wassertropfen auf dem Cover mittig links runtergegangen sein wie Massageöl. 2- "Soca Gold" Anno '14 gibt sich nur wenig züchtiger. Bei über 60 Minuten Musik (inklusive der aktuellen Trinidad & Tobago-Carnaval Hits (mit Stars wie Fay-Ann Lyons, Bunji Garlin oder Benjai) und über 70 Minuten-DVD (Video Clips, Live Konzerte und weitere Carnaval-Impressionen) bleibt kam ein Soca(Wet)-Dream unerfüllt.
3- Auftritt Numero 2 von Sonido Gallo Negro. Dieser mexikanische schwarze Retro-Hahn klingt recht wild: Das neunköpfige Psychedelic-Cumbia-Instrumentalorchester aus dem Osten von Mexiko-City mixt Genre-Spielarten wie Huayno, Sonidero-Cumbia mit Boogaloo unter Einsatz von E-Gitarren, Farfisa-Orgeln, Theremin, Flöte, lateinamerikanischer Perkussion, Synthiepiepsern und viel Hall. Ihr "Sendero Mistico" (mystischer Pfad) ist der erste Release außerhalb der Heimat (und hat das Label Glitterbeat überzeugt, sich erstmalig an einen nichtafrikanischen Release zu wagen.) Auf den Spuren von Cumbia-Pionieren wie Jaime Llano, Tulia Enrique Leon oder Eduardo Azurite - mit Indie-Underground-Feeling. 4- Es mag im Konzept von Senor Lugo nicht unbedingt angelegt sein, sich stetig Neues einfallen zu lassen - schließlich ist sein Outfit Ray Lugo & The Boogaloo Destroyers als 8-köpfiges NYC-Boogaloo-Orchester strictly retro und ganz auf die goldene 60's-Ära des Spanish Harlem-Boogaloo spezialisiert. Grafisch funktioniert das auf dem neuesten Wurf erneut, bei den 10 Titeln mit Animiernamen wie "El Ritmo de Nueva New York", "My Baby's Got Latin Soul", "Hong Kong Shing-A-Ling" oder "La Tumba de Fu Man Chu" schleichen sich diesmal - zumindest beim nichtalkoholisierten Hören außerhalb schummriger Salsabars aufgrund einiger Refrain- Wdh-Schleifen zuviel aber erste Ermüdungserscheinungen ein.

 





 
 
 Noura Mint Seymali - Tzenni / Mayito Rivera - Inventate Una Historia Aynur - Hevra  
 Glitterbeat / Indigo * Connector / In-Akustik * Network - Membran / Sony  
 
 

1- Zurück zu Glitterbeats Kernkompetenz - mit der mauretanischen Singer-Songwriterin Noura Mont Seymali, die mit ihrem neuen Album die Tradition maurischer Griots elektrifiziert. Der Sproß einer alten Musikerfamilie stellt auf "Tzenni" (in Hassania, einem Westsahara-Dialekt etwa: zirkulieren, sich drehen, wechseln: Name eines Tanzes und Metapher für den ewigen Zyklus des Lebens) ihr Instrument, die koraähnliche Ardîne, eine Art Winkelharfe zusammen mit der Tidinit, der gezupften Langhalslaute in einen Bandkontext. Aufgenommen wurde mit Ehemann & Gitarrist Jeiche Ould Chighaly in New York, Dakar und Nouakchott. Old meets New World. 2- Mancher wird Mayito Rivera aus dem von Wim Wenders präsentierten Film "Musica Cubana" kennen. Der hipp gekleidete Dreadlockster unterscheidet sich optisch zwar etwas von der alten Garde kubanischer Soneros, die Traditionen seiner Heimat bedeuten Rivera aber Einiges. Durch sein Einspringen bei Los Van Van, nachdem Cesar "Pupy" Pedroso und Pedro Calvo die 1969 von Juan Formell gegründete Gruppe verlassen hatten, wurde er als Sänger zu einem Publikums-Darling auf Kuba. An dieser Stelle war Rivera auch bereits als einer der Protagonisten von "Soneros de Verdad" zu Gast. 3- Aynur Dogan steht für kurdische Weltmusik. Mit ihrem neuen, mit dem Komponisten und Gitarristen Javier Limón (Buika, Yasmin Levy) produzierten Album "Hevra" ("Together") löst sich die Sängerin von der traditionellen Instrumentierung ihrer früheren Alben - hier gibt es ein Zusammentreffen mit Javiers Flamenco-Gitarre. www.aynurdogan.net

 
 
 
  

 
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