Reviews World 10-2014

* soundtrack * crossover * pop/rock * catalog * jazz * electro * world * bavaria-special *
 Flavia Coelho - Mundo Meu
 
 Vagh & Weinmann - Flowfish / Broken Silence TIPP & LIVE-TIPP 2015 * film * comic * book *
 
 
 
Starke Neo-Brazil-Töne von einer, die sich durchgebissen hat. Flavia Coelho, brasilianische Sängerin, in einer Favela von Rio aufgewachsen, 2006 nach Paris ausgewandert, mit "Bossa Muffin" & dem nachfolgenden Remix-Album einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgeworden, liefert mit "Mundo Meu", dem erneut von ihrem Mentor Attila Victor Vagh produzierten Album den aktuellen Einblick in ihre eigene World-Mixtur - zu den gewohnt sozialkritischen Texten. Die rhythmischen Einflüsse aus Afrika wären auch ohne die Gastauftritte von Tony Allen und des senegalesischen Sängers Woz Kaly ebenso offensíchtlich wie Coelhos Forró- & Samba-Basis. Sogar Balkan-Stilmittel werden hier eingebracht, ohne zu nerven. Weiter gibt es ein Midtempo-Reggae-Duett mit Patrice und eine von Speech (Arrested Development) veredelte brasilianische Rap-Ballade. Nach zwei Live-Daten im Oktober kommt Flavia Coelho Ende Januar 2015 erneut nach Deutschland - am 23.1. tritt sie im Münchner Ampere auf. www.flaviacoelhomusic.com
 

 
 
 Batida - Dois
 
 Soundway / Indigo
 
 
 
Afro-Beat, Kuduro, 70er Jahre Semba-Elemente, angolanische Movie-Samples, Rap-Passagen in den Sprachen Englisch, Portugiesisch, Quicongo & Zulu sowie kongolesische Gitarren-Licks gehören zu den offensichtlicheren Zutaten im eklektischen Soundkosmos der zweiten Ausgabe von Pedro Coquenaos Batida Projekt: "Dois". Diese Numero zwo folgt mit gebührendem Abstand auf Coqenaos Soundway-Debut von 2012, das von der Kritikerschaft als vielversprechender Lichtblick in Sachen Verquickung von World Music & Electro gesehen wurde. Jetzt scheint das Ganze allerdings etwas auf der Stelle zu treten, trotz der vielen rhythmischen Zutaten funkt es hier eigentlich selten wirklich.

www.facebook.com/batida www.soundwayrecords.com
 

 
 
 Pilots on Dope - Udopeia / Jagun - Camburi LIVE-TIPP 
 Verve / Universal Austria * Galileo MC
 
 
 
Brazil-angefixte Bleichgesichter Part 1-: High above the clouds. Vom in einem "Nebelland" gelegenen Wien machen sich auch die Pilots On Dope Richtung Brasilien auf. Im Cockpit Gerhard Gigler (DJ Bunani) und Gerald Tomez. Die beiden haben neue Coverversionen von Jorge Bens „La Vem Salgueiro“, Wilson das Neves´ „Que Isso Menina“ oder gar Henry Mancinis (ja, auch der Mann hat sich mal mit Co-Autoren am Bossa Nova versucht) "Melhor Esta Noite" im Handgepäck. Am Bord-Mikro helfen Wilson Simoninha, Rosalia de Souza und Jungstewardess Jenny Chi. Irgendwo zwischen Retro Library Sounds, klassischem Bossa Nova, Lounge Jazz und Bacardi-Werbung landet das Ganze dann. Geschmackvoll, aber alles in allem etwa so originell wie die bleierne Bordansage am Anfang & Ende. Runter kommen sie immer. Die schmucke Album-Booklet-Fotosession parallel auf: www.pilotsondope.com

2- Auch die Berliner Jazzsängerin Eva Jagun hat mit ihrem zweiten Album Kurs auf brasilianisches Terrain genommen. "Camburi" ist ein in der Nähe von Sao Paolo am Meer gelegener Ort, aufwendig im Fotoshooting fur Booklet & Website in Szene gesetzt und wie die Bossa von Leichtigkeit & Melancholie geprägt - ein Stimmungsbild, das auch Jagun mit ihrer Band anpeilt. 11 der 14 hier versammelten, sorgfältig arrangierten Tracks sind erneut Eigenkompositionen, meist gemeinsam mit Bassist Manuel Zacek geschrieben. Seit ihrem Debut "My Blue Hour" von 2011 hat EJ's Gesang merklich an Charakter gewonnen. Viel viel Engagement, aber die Konkurrenz auf jenem jazzigen Terrain ist eben auch gewaltig.

Noch bis zum 5.10. ist La Jagun live in Deutschland unterwegs - Details: www.jagun.eu .
 








 
 Orlando Julius with the Heliocentrics - Jaiyede Afro 
 Strut / Alive TIPP
 
 
 
Neues Studioalbum von einer der Legenden des nigerianischen Afrobeat. Saxophonist Orlando "Super Afro Soul" Julius tut sich für "Jaiyede Afro" mit den Londoner Heliocentrics zusammen, deren gelungene Kooperation mit Mulatu Astake noch immer in guter Erinnerung ist. Der Co-Autor von "Going Back To My Roots" befasst sich auf der vorliegenden Scheibe in der Tat vor allem mit den eigenen Wurzeln: einigen Kompositionen aus seinen Modern Aces-Anfängen in den Sechzigern wird hier eine Groove-Frischzellenkur verpasst. Mit "In The Middle" ist auch ein James Brown-Stück enthalten, einer der Heliocentrics-Live-Favoriten auf dem neuen Album, das es selbstverständlich auch als Doppel-Vinyl-Fassung gibt. Über die Ausstattung kann an dieser Stelle derzeit nur spekuliert werden. Tourdaten unter:
www.strut-records.com/tag/orlando-julius
 

 
 
 Sally Nyolo - Tiger Run 
 Tiverboat - World Music Network / Harmonia Mundi  
 
 
Die ehemalige Backgroundsängerin Sally Nyolo aus Kamerun ist seit ihrem Weggang von Zap Mama Mitte der Neunziger und einer Handvoll Solo-Alben eine feste World Music-Größe. Seit ihrem 13. Lebensjahr in Paris ansässig, etablierte sich die Diplomatentochter mit einer Mischung aus in ihrer Muttersprache Eton, englisch- & französisch gesungener traditioneller Bikutsi-Musik und Pop-Balladen, die auch auf "Tiger Run" dominiert. Der für das neue Album namensgebende Tiger nun ist der naturverbundenen Sally quasi in die Wiege gelegt, ihr Familienname soll `daughter of the tiger´s whiskers´ bedeuten. Womit noch nicht das Rätsel gelöst wäre, wie eine in Asien beheimatete Tiergattung Eingang in kamerunische Familiennamen findet, aber sei´s drum...

http://sallynyolo.com
 

 
 
 Fofoulah 
 Glitterbeat / Indigo  
 
 
"It's There!" - wie der Name des in London ansässigen Bandprojekts auf Wolof vermeldet. Das selbstbetitelte Album mischt westafrikanische Musik mit Rock-, Elektronik- & Dubelementen. Saxofonist & Keyboarder Tom Challenger (Red Snapper), Gitarrist Phil Stevenson (Iness Mezel), Bassist Johnny Brierley (Outhouse Ruhabi), Schlagzeuger & Produzent Dave Smith (Robert Plants' Sensational Shape Shifters) sowie Kaw Secka (Irok) haben ihre diversen parallelen Bandprojekte ruhen lassen und bauen ihre Tracks um die Rhythmen der in Gambia und dem Senegal beliebten Sabar-Trommeln. Aufgenommen wurde in Peter Gabriels Real-World-Studios. Als Gäste mit von der Partie: der senegalesische Sänger Batch Gueye, der britische Hip-Hopper Ghostpoet, Sängerin Iness Mezel sowie Fulani-Virtuose Juldeh Camara, ebenfalls schon mit Led Zep's Robert Plant gearbeitet hat. www.fofoulah.com 

 
 
 
 Gussie presenting The Right Tracks / Reggae Loves Africa  
 Various Artists - 17 North Parade * VP / beide: Groove Attack  
 
 
King Gussie Hi-Fi. "Everyone's got to like you, so that they buy your records, whether they' re good or not - they've got to try them at least." Augustus "Gussie" Clarke hatte es erfasst. Seine Bauernschläue kam dem Producer aus St. Mary bei der 'bizness side of tings' entgegen. Als Importeur von bei den Soundsystems begehrten Platten aus dem Ausland gestartet und bei King Tubby in die Lehre gegangen, fabrizierte Gussie in den 70's schnell individuelle Dubscheiben, die nirgends sonst zu bekommen waren. Das eigene Gussie & Puppy Records-Label folgte und Clarke reüssierte als Produzent von Big Youth und I Roy. Augustus Pablo, Dennis Brown, Gregory Isaacs und andere folgten. Die Original-"Right Tracks"-Compilation wurde für die vorliegende Doppel-CD mit einigen bisher unveröffentlichten Versions angereichert. Liner Notes von Harry Wise incl. einiger Interview-Passagen mit Gussie himself, mittlerweile einer der bestsortierten Publisher der Insel. "in the long run I got more out of it than all of them put together..."

"Africa, Here We Come" - Immerwiederkehrendes Thema in der World Music und speziell im Reggae: Mama Africa. Auch für die nach Jamaika verschleppten Schwarzen waren die Trommeln die wichtigste Verbindung zum Mutterkontinent, bis Anfang der 1930er Jahre die Rastafari-Bewegung auf der Insel und aus den afrikanischen Trommelstilen Kumina & Burru üdas Nyahbingi-Drumming entstand. Die afrikanischen Wurzeln des Roots Reggae sind unbestritten und so widmen sich auf der vorliegenden Compilation zwar nicht Bob Marley oder Peter Tosh, aber doch etablierte Acts wie Tarrus Riley, Dennis Brown, Morgan Heritage, Beres Hammond, Tony Rebel, Luciano oder Buju Banton dem identitätsstiftenden 'motherland across the sea'.
www.vpreggae.com
 



 
 
 Third World - Under The Magic Sun / Ali Campbell - Silhouette
 
 Cleopatra / H`Art * Cooking Vinyl / Indigo
 
 
 
Mit nur einer Handvoll von Klassikern hat Third World den Status als Reggae-Institution zementiert, von dem die Reste des Kollektivs bis heute zehren - mit dem Titelstück aus dem Album "96 Degrees In The Shade" oder den Uptemo-Tracks "Now That We Found Love" und "Try Jah Love". Bei letzteren waren die Mannen um Bunny Rugs nicht darum verlegen, den Disco-Trend geschickt in den eigenen Sound einzubinden. Nun ist der kürzlich verstorbene Lead-Singer nicht mehr, die neuen Versionen der letztgenannten beiden Tracks sind Rugs' letzte Aufnahmen. Die Band widmet ihm weiterhin den Track "Livication" und behilft sich ansonsten mit den Lead Vocals von Maurice Gregory oder Stephen Coore, so bei sehr mässigen Coverversionen von AOR-Tracks wie REO Speedwagons "I Can t Fight This Feeling Anymore" oder CCR's "Have You Ever Seen The Rain". Auch als LP erhältlich. www.thirdworldband.com
Der kommerziell erfolgreichste Brit-Reggae Act UB 40 zählte mit poppigen Singalong-Versionen wie "Red Red Wine" oder "Kingston Town" bis in die 90er zum Record Industry Establishment. Ali Campbell, Gründer und Stimme von UB 40, verließ die Band 2008 und war seitdem solo unterwegs. "Silhouette" ist bereits sein fünftes Soloalbum. Da hier die langjährigen Weggefährten Terence "Astro" Wilson & Mickey Virtue von seiner früheren Band hinzukommen, klingt nun endgültig alles wie auf einem der späteren UB-40-Alben. Aufgenommen in den Londoner RAK Studios, wird auf "Silhouette" mit Beatles-, Dylan- oder Chi-Lites-Coverversionen auf Nummer sicher gegangen. 'Sha La La'. Und 'fade'.
www.ub40.org
 



 
 
 The Rough Guide to
Bollywood Disco TIPP! / Music Without Frontiers / Fado Legends
 
 Various Artists - alle: World Music Network / Harmonia Mundi
 
 
 Das Neueste aus dem Rough Guide-Universum in Kürze: 1- "Disco done Indian style is a musical adventure like no other" wird dem Aussendienst als Verkaufsargument mit auf den Weg gegeben. Und wie hier Versatzstücke aus "Born To Be Alive", "Video Killed The Radio Star", "One Step Beyond" durch den Bollywood-Wolf gedreht werden, ist in der Tat speziell - und recht unterhaltsam. Dabei finden in den Tracks von Asha Bholse, Lata Mangeshkar oder Mohammed Rafi nicht notwendigerweise im engeren Sinne Disco-Pieces Eingang sondern alles, was im Westen nicht bei drei auf dem Baum war - bis hin zu Jodeleinlagen. Bonus-CD von Kishore Kumar. 2- Musik ohne (Landes-)Grenzen bietet der zweite, von David Rosenberg kompilierte Sampler - aus der westlichen, von Marokko annektierten Sahara, aus Korsika, der Inneren Mongolei, aus Kurdistan, Tibet, Palästina oder dem Baskenland. Und natürlich darf hier auch ein 'first nation'-Beispiel nicht fehlen. Sound Samples & weiterführende Infos dazu: www.worldmusic.net/musicwithoutfrontiers
3- Für die "Fado Legends" mit Amalia Rodrigues, Maria de Fe oder Joao Ferreira-Rosa bleibt da nur der dritte Platz. Genre-Liebhaber werden gleichwohl reichlich bedient. Der nächsten Fado-Generation widmet sich die Bonus-CD: Katia Guerreiro. www.worldmusic.net/fado-legends wartet mit kompletten Liner Notes auf.
 
 
 
  

 
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