REVIEWS ELECTRO 08/09-2017

• 1. DJ-Kicks: DJ Tennis
• 2. Shimmer - A Selection by Boozoo Bajou Vol.1
• 3. Whirlpool Productions - From Disco To Disco - Gewinnspiel
• 4. Mary Epworth - Elytral
• 5. Kompakt Total 17
• 6. Anton Kubikov - Whatness
• 7. Tender - Modern Addiction
• 8. Made to Measure 13: Yasuaki Shimizu
• 9. Rat & Co - Third Law
• 10. Café del Mar XXIII (Volume Veintitrès)

Gewinnspiel! 3x2Magical Mystery - Kinotickets - Preisfrage s.u.

!K7 Records läutet bereits wieder eine neue Runde DJ-Kicks ein - und zwar gleich eine doppelte. Erstmals in der über 20-jährigen Geschichte der Reihe präsentiert mit dem Life And Death-Labelgründer Manfredi Romano ein Künstler sogar zwei Mixe. Der als DJ Tennis kosmopolitisch zwischen Barcelona & Miami wechselnd aufschlagende Italiener lässt es bei den ersten drei Tracks von Mix 1 mit Soundscape-Material (u.a. von Alva Noto/Ryuichi Sakamoto) ruhig angehen, um selbst und mit Tracks von Jon Hopkins oder Mouse on Mars langsam Broken Beats-Reizpunkte zu setzen. Oder nach Gusto wieder zu verlangsamen, um ab Track 11 in einen geschmeidigen Groove zu verfallen. Chor-Finale dann abseits des Tanzflurs, mit Caribous Melody Day im Four Tet Remix. Mix 2 dann beatorientierter - erst mit dem Übergang von Kenny Dixon Jr. auf Rhythm And Sounds sachte dubbiges Mango Drive, der auf die Synthies von Marcello Giordani zuhält, wird man hellhörig. Insgesamt vier exklusive Tracks: DJ Tennis selbst zusammen mit Fink, sowie zwei T-Versionen von Pole und Frank Bretschneider (außerdem der Track von Red Axes). Das Ganze auf Doppel-CD oder Triple-Vinyl - im Design nüchtern & clean wie eine Designerküche. Und als ob dies noch nicht genug kritische Masse wäre, um heutzutage den Käufer zu überzeugen, legt das Label noch eine Free Bonus Compilation oben drauf. Play Tracks I-1-3,11-12 - II-6-9,16.

www.dj-kicks.com/dj-tennis

Seit beinahe 20 Jahren arbeitet das Nürnberger Duo Florian Seyberth & Peter Heider im Terrain zwischen Downtempo, Dub, Ambient und Chill Out. Der Weg scheint Boozoo Bajou ähnlich einigen Acts aus vergangenen Jahrzehnten im Großen und Ganzen vom Beat in die Stille zu führen. Eine Zwischenstation mag das Album 4 von 2014 gewesen sein, die Mitte September ins Haus stehende Collection Shimmer (wieder auf ihrem ursprünglichen, damals noch Nürnberger Label Stereo Deluxe) ist eventuell eine weitere. Noch findet sich Rhythmisches (zum Einstieg mit Krautrock-Vibes von Minami Deutsch, dem Berliner Max Loderbauer oder Burger/Voigts Wand aus Klang) - der Odd Machine Trip-House-Track hakt in diesem Umfeld dann eher als zu konventionell. Slowdive & Notwist finden am Ende ebenso statt wie Kollege Burnt Friedman, um mit einem obskuren Gitarrensolo des in Haiti geborenen Frantz Casséus (Gitarrenlehrer von Marc Ribot) von 1954 abzuschließen. Abruptes Ende, nicht wirklich eine Offenbarung. www.stereodeluxe.com

Für From Disco to Disco, den 90´s Indie-House-Heuler des Kölner DJ-Kollektivs Eric D. Clark, Justus Köhncke und Hans Nieswandt, wird an dieser Stelle mal eine Ausnahme von der Regel gemacht. Obwohl aus Magical Mystery, Tatortreiniger Arne Feldhusens launiger Verfilmung von Sven Regeners Roman Die Rückkehr des Karl Schmidt, nur eine Vier-Track-EP ausgekoppelt wird, die aus vier Mixen eben jener Disco-Nummer von Whirlpool Productions besteht, sprechen wir eine Empfehlung aus. Neben dem remasterten Original sind Hot Chip, Adam Port und Tiefschwarz im Einsatz. Aktuell gibt es das Ganze nur digital, ab Mitte September allerdings auch als Vinyl!

Und - wir verlosen schon mal 3x2 Kinotickets zum Kinostart (31.08.) der 90er-Tour von Charly Hübner, Detlev Buck & Co. durch deutsche Techno-Kaschemmen! Preisfrage: Wie heißt die Erfolgs-Plattenfirma im Film? Mail an: info @ cinesoundz.de

VINYL-TIPP & Gewinnspiel

Magical Mystery Filmtrailer * Website Soundtrack- Playlist * FDtD-Fusion-Clip From Disco to Disco Original-Video

"You should be watching the Sun go down with me..." Schillernd wie die prachtvollen Deckflügel des auf dem Makro-Foto-Cover abgebildeten Laufkäfers sollen die Klangexperimente wohl idealerweise ausfallen, die Mary Epworth, Schwester des bekannten  Musikproduzenten Paul Epworth (Bloc Party, Adele, Lana Del Rey), auf ihrem zweiten Studioalbum durchführt. Der Platz im Studiosessel (der Golden Void Studios von L.A.) ist hier allerdings an Thom Monahan (u.a. Devendra Banhart) vergeben. In dessen Regie sorgen Noise-, Psychedelia- und fast freejazzige Passagen auf Elytral dafür, dass die verhallten, oft leicht melancholisch anmutenden ME-Vocals nicht in Kitsch übergehen. Play Tracks 3,4,6,10.) Cover Foto: Levon Bliss (aus der fantastischen Microsculptures Serie! - http://maryepworth.com

Gewohnt schmucklos präsentiert sich die neueste Ausgabe der seit 1999 laufenden Kompakt-Total-Reihe. Folge 17 bietet etwa Tracks von Superpitcher feat. Fantastic Twins, Voigt & Voigt, T.Raumschmiere, Vermont, oder Laurent Garnier auf 2 Cds bzw. Doppel-LP, inclusive acht ganz neuer, noch exklusiver Aufnahmen. Eine gute Gelegenheit in Kompakts aktuellem Programm zu stöbern. Im ersten Hördurchgang gleich auffällig: Jürgen Paapes auf der Gesangsspur rückwärtsspulendes Always Disko, das folgende, vorwärtsdrängende 25 von Tobias Thomas & Labelchef Michael Mayer oder das schamlos poppige Ambrosia von Jörg Burger mit Julienne Dessagne (als Nu U Orchestra). Auf der zweiten CD wird mit Sasha feat. Policas Out of Time gleich mächtig angeschoben, um dann in unterschiedlichen Technograden weiterzuwippen, bis The Orb dort den Reigen mit 4am Exhale im Dave DK Accelerator Mix beschließen.  Play Tracks I-2-4,8. II-1,10. www.kompakt.fm

Ab ins Klangbad. Getragene Soundlandschaften aus russisch-erdenschweren Synthiewällen, Elektronikgezwitscher und Pianoakzenten hat SCSI-9-Co-Gründer und Ambient-Virtuose Anton Kubikov anzubieten, der seit deren letztem Release auf Kompakt vor einigen Jahren (rechnet man die Beiträge zur Pop Ambient Compilation-Reihe des Kölner Labels nicht als vollwertig mit) vornehmlich das eigene Unternehmen Pro-Tez Records gepflegt und seine Karriere als Solo-Künstler angeschoben hat. Whatness mit dem erneut enthaltenen 2016er Track April und dem eingängigen Kalimba-Dub North ist dabei Kubikovs erstes Solo-Album unter eigenem Namen und erscheint parallel auch als Vinyl-Longplayer mit Downloadcode. www.kompakt.fm * https://vk.com/protezrecords

Tender, das aus einer WG entstandene, aus James Cullen und Dan Cobb bestehende Londoner Electro-Pop-Duo, versuchen mit Millionen Soundcloud-Plays im Rücken auf ihrem Debüt-Album Modern Addiction eine Balance zwischen sehnsuchtsvollem Ausdruck - trotz verfremdetem Gesang - und elektronischer Kühle in den Arrangements. Das klingt im ersten Hördurchgang bei Nadir etwa nicht unattraktiv aber auch irgendwie bekannt - im verlangsamten Fahrwasser von MGMT oder Empire of the Sun navigierend. Auf Albenlänge gehorcht, herrscht was substantielle Kompositionen angeht, aber letztendlich Leere, auch die Gleichförmigkeit von Vocals & Instrumentierung vermag nicht zu fesseln. Tender bleiben mit ihrem soßigen Mix doch an der Oberfläche, austauschbar.

Interessanter Re-Release: 1987 im Rahmen der Crammed Disc-Reihe Made to Measure als Vol.12 erschienen, war Yasuaki Shimizus Music For Commercials bislang eine gesuchte Rarität. Im September wird sich das ändern und nachwachsende Interessenten können darüber staunen, was im musikalischen Background japanischer Werbespots so alles gefragt und erlaubt war. Diese Kurzfilme waren weniger Produktreklame, als dass sie Corporate Identity spürbar machen sollten. Was Jun Miyake später fortführte und verfeinerte - im Mid-Achtziger Klangrepertoire von Shimizu dürfte eine seiner Hauptinspirationen gelegen haben. Miyakes Landsmann, der als Produzent, Komponist & Saxophonist u.a. mit Ryuichi Sakamoto, DJ Towa Tei (Deee-Lite), Björk, Manu Dibango oder Wasis Diop gearbeitet hat, lässt hier Seiko, Sharp oder Honda zum Appell antreten und schöpft aus einem elektronisch angerichteten Musik-Pool von Oper & Klassik über Free Jazz-Improvisation bis hin zu Synthiepop. www.yasuaki-shimizu.com/en

Aus einem Mix von Vogelstimmen und verlangsamt-verfremdet vorgetragenem `Life is a paradox´-Manifest startet das dritte Album des australischen Electronic-Trios Rat & Co. Deren Debüt war Ambient mit Natursounds, der Nachfolger voller Industrial-Samples. Für Third Law haben sich Produzent Josh Delaney und seine Mitstreiter John Waller & Nick Park extra viel Zeit genommen - für ein Konzept mit düster-verschleppten Klängen, vielfältigen Stimmen-Samples und gelegentlich, etwa bei Soldiers mit den Vocals von Gastsängerin Liahona, aufblitzendem Pop-Appeal. Onsen Boy mit seinen Glockenspiel-Arpeggios & Slide-Guitar ist erklärtermaßen tatsächlich in Japan entstanden - schon auf dem 2014er Album hatte es Nippon dem Trio aus Melbourne offensichtlich angetan: Samurai-Video. Play Tracks 1-3. A.I.- Black & White-Video * www.ratandco.org

Ausnahmen bestätigen die Regel. Trotz Lichtblicken im Sonnenuntergang wie der Inkludierung von Lord Echo, Penguin Cafe oder Bonobo auf CD I oder Goldfrapp auf der zweiten Scheibe scheint es um die Balearen-Sundowner-Serie nicht mehr allzu gut bestellt zu sein. Die Ausgabe "Veintitres" (Nr. 23) versammelt mehrheitlich Belangloses à la Blank & Jones & Konsorten, bereits weichgespült und washed out, bevor die Mittelmeerwellen drüberweggerollt sind. Auch B-Cover-Versionen von Everybody Loves The Sunshine oder I´m Not in Love, die den Original-Klassikern nicht das Salzwasser reichen können, scheitern als vermeintlich sichere Nummern für die Hängematte. Das Café-Personal bräuchte vielleicht selbst einen kleinen Retreat inklusive Füße hochlegen?  www.cafedelmarmusic.com 

© cinesoundz 2017