REVIEWS ELECTRO 05-2018

 


 

 

electro 04 18 Thievery Corp

Confidence Man - Confident Music for Confident People

Heavenly - PIAS / Rough Trade

"My Boyfriend talks too much..." Seit 2016 mischt Confidence Man, das zunehmend selbstbewusster agierende Dancepop-Quartett aus Brisbane punktuell auch europäische Destinationen auf. Das in Berlin inszenierte Video Better Sit Down Boy setzt wie die simplen, aber energetischen Live-Performances der Australier verstärkt auf den Babydoll-Sex-Appeal von Sängerin Janet Planet. Ihr kurzbehoster Partner & Eintänzer Simon Bones und die im Hintergrund konsequent hinter Selfmade-Burkas verborgenen Musiker Clarence McGuffie & Reggie Goodchild komplettieren das Geschehen. Clever werden mehr oder minder große Versatzstücke verdienter Party-Sensationen wie Happy Mondays, B-52´s, Scissor Sisters oder Deee-Lite schamlos für den Dork-Dancefloor aufgemischt. Als Hör-Konserve funktioniert das auf elf Songs aufgestockte Confident Music For Confident People immerhin ebenfalls - zu zwei Dritteln - und enthält neben dem o.a. Hit noch die schmissigen Tracks Try Your Luck, Don´t You Know I´m In A Band, Boyfriend (Repeat), Catch My Breath & Cool Party. "Confident People Enjoying Confident Music Around The World...": Am 20.7. live als Teil von Das Fest in Karlsruhe - b.a.w. der einzige Deutschland-Termin inmitten der Sommer-Europa-Tour.

LIVE
 
 

electro 04 18 Confidence

Definitiv mehr weiß als schwarz, aber zuversichtlich: www.confidenceman.com

Thievery Corporation - Treasures From The Temple

ESL / Rough Trade

Schon wieder zu Gast: die Thievery Corporation, deren kürzliche formidable Jamaica-Visite The Temple of I & I soviel Material abwarf, dass nun in kurzem Abstand ein weiteres Album erscheint. Treasures from the Temple kommt mit 12 Tracks daher: offiziell "Remixes, Dubplates & Rarities" aus den gleichen Temple-Sessions in den Geejam-Studios, Port Antonio von 2017 - aber keinesfalls nur Outtakes & B-Ware. Das karibische Dub- & Dancehall-Feeling bleibt die wichtigste Ingredienz, aber mit den zwei von Lou Lou Ghelich(a)khani französisch gegebenen Disco- bzw. Loungetracks Voyage Libre & La Force de Melodie oder dem ruhigen Midtempotrack Water Under The Bridge mit Natalie Clavier am Mikro ist auch genügend Neues, den Thievery-Bogen weiter Spannendes geboten, um als eigenständiges Album zu bestehen. Play Tracks 1,5,7-9,11. https://thieverycorporation.com

TIPP
 

electro 04 18 Thievery Corp

Monolink - Amniotic / Moonbootica - future

beide: Embassy of Sound / Warner

Für ein Debütalbum ist das schon recht gefestigt, was er da auf Amniotic anbietet, der als Monolink firmierende, von Folk-Anfängen zum Dasein als DJ und dann zu einer Art Techno-Songwriting weitergezogene Multiinstrumentalist und Sänger Steffen Linck aus Berlin. Das kreative Ausschwitzen seiner Melange aus Gesang, Gitarrenklängen, Beats & viel Elektronik hatte für ihn offensichtlich viel von einer Geburt, daher der auf die Fruchtblase bezugnehmende Titel des sich thematisch mit dem Leben und der Natur beschäftigenden Werks - Kontrastprogramm zu den Flughäfen & Hotelzimmern während Lincks DJ-Phase.

Ab Juli vereinzelte, sommerliche Gigs im deutschen Raum - check out:  www.mono.link

LIVE
 

electro 04 18 monolink

Future prangt als Motto breit auf der Innenseite des Klappcover-Digipaks. Dass nun ausgerechnet die hanseatischen Haus-Lautsprecher Moonbootica da thematisch Substantielles zu bieten hätten, kann man bezweifeln. Doch kamen KoweSix und Tobitob schließlich bereits Anno 2010 als Men of the Future (Single-Titel) daher. Und beim Trommeln für das Produkt, in diesem Fall das fünfte Studioalbum, waren die beiden bisher selten um Verpackungs-Coups verlegen, man denke nur an die Bling-Necklace-Produktion zu Shine von 2014. Auf der Suche nach Sommerhit- & Floorfiller-Material feilen die Hamburger also weiter an ihrem In-your-face-Clubsound. Für das Highlight Do Not Do Me (Like Dis) haben sie interessanterweise einen recht genrefremden Gast ans Mikro gebeten: die (auch hier) engagiert & explizit agierende deutsch-nigerianische Sängerin NnekaDiverse Livedaten, u.a. am 30.04. auf der Dortmunder Mayday, am 18.05 im Münchner BobBeaman. Check out: Moonbootica im Netz.

LIVE

electro 04 18 moonbootica

Yan Wagner - This Never Happened

Her Majesty´s Ship

Nix passiert? Nach dem deutlich von Depeche Mode inspirierten Vorgänger Forty Eight Hours macht der franko-amerikanische Producer Yan Wagner mit seinem neuen Album aus jenem wichtigen Einfluss weiterhin keinen Hehl, verbreitert aber vom eingängigen Synthiepop ausgehend seine Sound-Palette. Etwa in Richtung von klassischen Croonern von Sinatra (auch wenn Wagner beim vor allem durch den alten Frankieboy bekannt gewordenen It was a very good Year eher nach Scott Walker klingt) bis Lee Hazlewood. Dennoch verharrt Wagner thematisch keineswegs in der Vergangenheit - auf dem Cover die Spalten eines Zeitungsartikels, dessen Zeilen geschwärzt wurden. „A series of lies“ – so YW über die erklärtermaßen gefakten, simplen Geschichten, die in den zehn Tracks seines zweiten Longplayers erzählt werden: This Never Happened. Aber es passiert hier eben doch Einiges: Melodische 80´s- & Bowie-Referenzen etwa - und eben ein paar alternative Fakten. Yan Wagner Website * www.residentadvisor.net/dj/yanwagner

 
 

electro 04 18 Yan Wagner

Alex Attias presents Lillygood Party!

Bbe / Indigo

Seinen feinen Mustang Mix von Le Foto Proibite Di Una Signora Per Bene (Ennio Morricone Remixes Vol1, Compost Records/Cinesoundz) könnte die eine oder der andere noch im Ohr haben. Der nach London abgewanderte Schweizer Alex Attias legt das Konzept seiner heimatlichen Lausanner Partyreihe & Radioshow LillyGood Party! als CD & Doppel-LP vor. Gegeben werden Broken Beats, aber eben auch die im Untertitel beschworene, teils exklusive Selection of really really good Grooves, etwa japanischer Discosound, Spiritual Jazz, Funk, House oder Boogie. Große, gut abgehangene Namen unterschiedlicher Genres (Material, Bill Laswell, Nona Hendryx, Kip Hanrahan), Namenloses, Alt & Neu - alles im Attias-Taste-Flow - und im Booklet auch diverse Anmerkungen des LillyGood-Gastgebers zu einzelnen Tracks. Bbe Artist Website * www.residentadvisor.net/dj/alexattias-chw

 

electro 04 18 Alex Attias

DJ Kicks - Deetron

!K7 / Indigo


Sie läuft und läuft und läuft. Die !K7-DJ Kicks-Reihe ist aktuell (nach DJ Tennis, Lone & Kerri Chandler) mit dem Schweizer Techno-DJ und Produzenten Sam `Music Man´ Geiser alias Deetron bei Numero 62(!) angekommen. Auch der Detroit-affine Music Over Matter-Eidgenosse gibt hier sein Bestes, um das hohe Niveau der Mixtape-Reihe fortzuführen. Optimale Vorbereitung für die Kicks-Berufung waren frühere Mix-CDs des gebürtigen Berners wie Fabric 76 und Balance 20, an die Geiser hier anknüpft - mit 34 Tracks. Darunter finden sich Stücke von üblichen Verdächtigen wie Carl Craig (solo & zusätzlich ein Tony Allen-Remix), Roman Flügel, Aardvarck, DJ Koze, Burnt Friedman oder Derrick May. Auch ein exklusiver (unbetitelter) Solo-Track & gleich drei Kollaborationen (mit Steve Spacek, Jinadu und Jamie Lidell) werden hier geboten. Over the years I have worked on bringing techno & soulful vocals together and I wanted to represent that in the mix, as well as my aim to recreate tracks using three decks when deejaying." Und die nächste DJ-Kicks-Compilation mit dem Briten Matthew Barnes aka Forest Swords steht bereits in den Startlöchern...

 
 

electro 04 18 Deetron

www.dj-kicks.com * www.deetron.com

Kylie Minogue - Golden

BMG Rights / Warner

Viel Bohei im April um Kylie Minogues neues Werk. Zum ersten Mal klingt ein Album von mir nach dem Ort, an dem es entstanden ist. Durch meine Zeit in Nashville habe ich musikalisch völliges Neuland betreten.“ Anhand solcher im Vorfeld lancierter Kommentare konnte man fast schon an eine Country-Sensation aus der Minogue´schen Dance-Pop-Fabrik glauben. Im Intro des Openers Dancing geht die Australierin dann auch stimmlich fast als jüngere Ausgabe von Dolly Parton durch. Und hatte Kylie nicht auch einst mit Where The Wild Roses Grow Crossover-Gespür bewiesen - dank Nick Cave? Nun, dieses war vor über 20 Jahren und der jetzige Duettpartner heißt Jack Savoretti, englischer Softrocker italienischer Abstammung, mit dem die Minogue eine abschließende, in Streicher gebettete Ballade gibt. Dieser Track ist das Highlight des wie gewohnt hochglanzverpackten Golden. Kylie hat zwar an auch an den übrigen 11 Tracks durchweg mitgeschrieben, herausgekommen ist aber leider letztendlich, ab Minute 0:45 jedenfalls, der übliche, zu oft belanglose Singalong-Dance-Pop, der diesmal maßgeblich von Nathan Chapman administriert wird, Taylor Swifts Wegbegleiter vom Countrymarkt in den Pop-Mainstream. Live vorerst - nach unglücklicher Appearance beim letzten Echo (ever) - vorerst nur im UK. www.kylie.com

pop 04 18 kylie danalbum gold

Kylie beim (Line-)Dancing - in Gold.

 

Raf Rundell - Stop Lying 

PIAS Coop - 1962 / Rough Trade

Kurz & knackig. Der Brite Raphael `Raf´ Rundell ist neben dem Hot Chipper Joe Goddard Teil des unterhaltsamen Disco-Pop-Duos The 2 Bears, hat aber auch Solo-Ambitionen. Bereits das Ende 2016 veröffentlichte 6-Track Mini-Album The Adventures Of Selfie Boy Part 1 ließ aufhorchen. Nun hat Rundell sein full format-Debütalbum Stop Lying am Start, das (in auch nur 34 Minuten Spielzeit) ebenfalls mit einer erheblichen stilistischen Bandbreite aufwartet: von Electro, Dub, Blue-Eyed-Soul, Falsett-Disco, Indie- & (80´s)Synthie-Pop bis hin zu HipHop. Der vielseitige `Bear´ Rundell macht dabei meist eine gute Figur, der abschließende Track In Control ist gar eine Piano-Ballade. Textlich gibt es Anmerkungen zu Tief- & Höhepunkten der Jetztzeit - von Trumpismus bis Vaterschaft. Play Tracks 2 - 5, 7-9.

Raf Rundell Website
TIPP
 

electro 04 18 raf rundell

Interferencias Vol.1 / Interferencias Vol.2

Various Artists - beide: Munster / Cargo
Mit der zweiteiligen Zusammenstellung Interferencias leistet sich die spanische Vampisoul-Heimat Munster Records einen aufwendigen Überblick über die urbane iberische Elektropop-Szene während ihrer Blütezeit in den 80er Jahren. Vom Label-Triumvirat Adamo Dimitriades, Nicolas Zuniga & Paul Hurtado de Medoza zusammengestellt, hält Vol.1 20 Beispieltracks von ebensovielen Acts bereit, die die musikalische Bandbreite von chartskompatiblem Elektropop bis zu angeschrägten Klangexperimenten abdecken. Die Namen der Acts werden außerhalb der spanischen Landesgrenzen kaum jemand allzuviel sagen, die bunte Vielfalt illustrieren sie allemal: TodoTodo, Oviformia SCI, Última Emoción, WAQ, Justine, Séptimo Sello, Líneas Aéreas, MD, Lavabos Iturriaga, Vocoder, Metal Y Ca, La Mode, Aviador Dro, Kalaschnikow, Tomates Eléctricos (!), Metropakt, El Humano Mecano, Diseño Corbusier, Los Iniciados und Bola/Banda Electrónica. Ein umfangreiches, 28-seitiges Booklet mit Linernotes von Sergio Sánchez (Jazznoize) und diversen Künstlerfotos runden das Package ab.
 
 

electro 04 18 Interferncias

Mit Interferencias Vol. 2 machen Dimitriades & Co. ab Ende Mai dort weiter, wo die erste Zusammenstellung endete - in gleicher, sorgfältiger Ausstattung. Diesmal mit von der Partie Gruppen mit so wunderbar klingenden Namen wie Esplendor Geométrico, Orfeón Gagarin, TV Sovietica oder Muzak (und Titeln wie Francotirador oder gar das teutonische Blonde Venus), von denen es einige später immerhin in spanische TV-Show-Formate wie Musical Express oder La Edad de Oro schafften, deren Mehrheit aber selbst in der Heimat weitgehend unbekannt blieb und schnell wieder in der Versenkung verschwand. Auch diese Künstlern zu würdigen und ihnen zu einem späten medialen Ausgleich zu verhelfen, war eine der Antriebskriterien der Kompilatoren. Mission accomplished.

Interferencias Vol.2 @ Munster Records

 

electro 04 18 interferencias 2

JB Dunckel - H+

Prototyp - Epic / Sony

Analog, schwebend, träumerisch, sanft, etwas verquast. Air-Hälfte JB Dunckel ist auch auf seinem aktuellen Solo-Album H+ ganz der Alte, zwei Jahre nach der Starwalker-Kooperation mit dem isländischen Komponisten Barði Jóhannsson und immer noch mitten in der Air-Sendepause. Bereits der Titel ist angemessen verstiegen - bezeichnet er doch einerseits das chemische Element eines Protons, eines positiv geladenen Wasserstoff-Ions, andererseits steht er philosophisch auch für Transhumanismus, die technologische Ausweitung menschlicher Möglichkeiten, ob intellektuell, physisch oder psychisch. Dem Überbau mag man folgen oder nicht, musikalisch wird hier ganz im alten Air-Retro-Fahrwasser navigiert, sphärisch und elektronisch, futuristisch eher im Design (Artwork: Akatre). So offensichtlich einschmeichelnd der kitschnahe Trademark-Sound Dunckels daherkommt, für die eine oder andere produktionstechnische Feinheit, ist doch mehrfaches Hören geraten. Bei der Gelegenheit: was macht eigentlich Nicolas Godin (dessen Bach-inspiriertes Album Contepoint auch schon drei Jahre zurückliegt)? Play Tracks 4,5,8. www.jbdunckel.com

 

electro 04 18 JB Dunckel

The Herbaliser - Bring Out The Sound

Bbe / Indigo

Attention - neu bei Bbe: Sechs Jahre nach Ihrem bemerkenswerten, auf dem eigenen Department H-Label gelaunchten Album There Were Seven bringt sich das britische Breitwand-Hip Hop Duo The Herbaliser mit Bring Out The Sound wieder in Stellung. Die Beats von DJ Ollie Teeba & Bassist Jake Wherry spielen sich weiter zwischen den Koordinaten Acid- & Nu-Jazz sowie Rare Groove (also Soul- & Funk) ab. Und die clever arrangierten, live personell um Elektronik, Drums & Bläser Sektion aufgestockten Wall of Sound-Instrumentals der ehemaligen Ninja Tune-Vorzeige-Künstler funktionieren noch immer - nach bald 25 Jahren gemeinsamen Musizierens. Hin & wieder dürfen sich Gäste das Mikro schnappen, etwa Camdenite Just Jack, die Brit-Reggae-Spezialisten Rodney P & 28luchi oder Mark Keds (Libertines). Ein Highlight: Over & Over, die Nummer mit der bisher kaum bekannten Sängerin STAC - erstaunlicherweise kein Video dazu. Play Tracks 1,2,4,6,10,12,13. The Herbaliser Website * Rare occasion: The Herbaliser live in Deutschland - am 29.04. im Hamburger Mojo Club - not to be missed.

LIVE-TIPP!
 

electro 04 18 Herbaliser

There Were Seven (von 2012) - Cinesoundz Review

 

Nassau Beach Club Ibiza - 2018

Various Artists - Kontor / Edel

Abschließend ein kurzer Ausflug auf das balearische Party-Eiland. Überraschenderweise zunächst ein ganz zarter Beginn mit Solo-Piano. Nein, auf den insgesamt 30 Tracks der 2018er Ausgabe des Nassau Beach Club Ibiza werden nicht nur endlose House-Beats gebolzt. Auf der ersten Scheibe kommen anfangs auch lounge-kompatible Tunes zum Einsatz. Hernach steigt zwar die bpm-Frequenz, die Spannungskurve der für die neue Location am Playa d'en Bossa zusammengestellten, im Design schlicht gehaltenen Doppel-CD-Mix-Compilation der Residents Alex Kentucky & David Crops verläuft allerdings abfallend - zumindest abseits des Tanzflurs.

Play Tracks I-1,2,4,8,14. II-13. www.alexkentucky.com * www.davidcrops.com * Nassau Beach Club-Teaser * http://kontorrecords.de

 
 

electro 04 18 NassauBeach

© cinesoundz 2018