REVIEWS JAZZ 01-2018
Kev Beadle presents Private Collection Vol.3
Bbe / Alive
Nach den im Jahresabstand, 2013 & 2014 veröffentlichten ersten beiden Folgen von Kev Beadles Private Collection hat es bis zur vorliegenden dritten Folge etwas länger gedauert. Da kann man schonmal das Wörtchen `even´ vergessen, dass als Steigerung von bei Folge 2 schon versprochenen More Independent Jazz Sounds from the Seventies & Eighties noch vor den Untertitel gehört hätte. Abseits solch klein(lich)er Kompilatoren-Anmerkungen ist einmal mehr hörenswert und geschmackvoll verpackt, was der im letzten Jahr in den DJ-Ruhestand gegangene Vinyl-Junkie aus dem Koffer gezogen hat. Ja, Beadle legt die Latte in Sachen so gut abgehangener wie rarer, tanzbarer Jazz-Nummern gar noch einmal höher. Unter vielen Highlights sei nur die stilistisch auffällige, langsamere Streicher-Nummer The Kingdom Within You genannt. Sie stammt vom Flügelhorn-Virtuosen, Trompeter & Saxophonisten Ira Sullivan, mit Vocals der Solo-Violinistin Nicole Yarling. Beadle nimmt also quasi auf dem Zenith seinen Hut, mit "Respect to the jazz family worldwide". Follower spekulieren schon auf Folge 4 & 5 aus der Privatsammlung - schließlich hätte der Mann ja nun mehr Zeit... www.podomatic.com/podcasts/kevbeadle |
TIPP
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Klaus Doldinger´s Passport - Symphonic Project
Warner Music International
81 und kein bißchen leise. Nach dem Jazz-Award-dekorierten Passport-Erfolgsalbum Doldinger zum 80. Geburtstag des umtriebigen Saxophonisten, Bandleaders & Komponisten wird nun ein gutes Jahr später das beliebte Symphonic Project wiederaufgelegt – und zwar mit einer 83-minütigen DVD als gediegene Digipak-Deluxe-Edition. Enthalten sind mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Bernd Ruf eingespielte Passport-Titel, ein 24minütiges Jazzconcertino sowie die Filmmusik-Suiten zu Das Boot, Die Unendliche Geschichte und Tatort. Diese einigermaßen zeitlosen Big Screen-Titel kommen hier mit ordentlich Orchester-Wumms daher, auch auf der DVD. Dort musiziert die Nordwestdeutsche Philharmonie, dirigiert von Leo Siberski. Konzerttermine: 02.12. Alte Oper, Frankfurt - 17.12. Philharmonie, Köln. http://klaus-doldinger.com |
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Raphael Gualazzi - Love Life Peace / Tine Ting Helseth - never going back
A1 Enterta * Grappa / Galileo Music Communication
Zweimal Pop von Quereinsteigern aus dem europäischen Jazz-Lager. 1 Raphael Gualazzi aus Urbino hat sich bisher, etwa auf seinem Album Reality and Fantasy, als singender Jazzpianist inszeniert - und hervorgetan. Dass dabei nebenbei auch ein Gewinn als Newcomer beim San Remo-Festival herauskam, konnte man schon als Zeichen für eine möglicherweise stärker pulsierende Pop-Ader deuten. Mit dem neuen Album Love Life Peace hat sich der Flirt zu etwas mehr ausgewachsen. Offenbar erfolgreich - der ausgekoppelte Track L’estate di John Wayne erzielte bereits 10 Millionen Klicks in diversen-Netz-Kanälen. Die englisch & italienisch gesungenen Songs gehen jetzt in Richtung konventioneller, sehr in die Breite arrangierter Soul-Pop. Balladen und ein Duett (mit San Remo-Kollegin Malika Ayane) dürfen nicht fehlen, und wenn Gualazzi durch das Uptempo-Stück Lotta Things hastet, tut er das natürlich mit Humor. So sehr er sich um Lässigkeit und Showmanship bemüht - so ganz scheint ihm die neue Rolle als extrovertierte Italo-Ausgabe von Jamie Cullum aber doch nicht auf den Leib geschrieben. www.raphaelgualazzi.com |
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2 Mit ihrem Ensemble tenThing klassisch, mit The Tine Thing Helseth Quintet aber auch regelmäßig im Jazz unterwegs, scheinen Genrewechsel für die norwegische Trompeterin Tine Thing Helseth kein Problem darzustellen. Dass das vorbehaltlos poppige Album Never Going Back, produziert von Landsmann & Multi-Instrumentalist Mathias Eick, nun nicht einmal jazzige Hintertürchen enthält, darauf waren wohl die wenigsten Hörer vorbereitet. Den Album-Release und ihren 30. Geburtstag feierte die Künstlerin selbstbewusst bei einem Konzert in der Osloer Norwegian Opera. Die ruhigen, träumerischen Songs schrieb TTH alle selbst, einige davon in Kooperation mit Jarle Storløkken. Das melancholische, meist Streicher-unterlegte Programm könnte Fans aus den bisherigen Wirkungsbereichen ansprechen, auch wenn die erfolgreiche Trompeterin hier eher als brave Durchschnitts-Sängerin daherkommt. Der Titel wird doch nicht programmatisch, auf die bisher beackerten Genres bezogen, gemeint sein? Play Track 7, All That I Know. |
Norma Winstone - Manhattan in the Rain / norma winstone & john taylor - ...like song, like weather
beide: Sunnyside - Enodoc / Delta
Hier seien auch zwei der jüngst remasterten Norma Winstone-Alben aus dem Sunnyside-Katalog erwähnt: Manhattan in the Rain und ...like song, like weather, letzteres 1996 aufgenommen mit Pianist & Ehemann John Taylor. Die britische Jazzsängerin und Texterin wurde durch ihre herausragende Arbeit mit Größen wie Kenny Wheeler, Mike Westbrook, Michael Gibbs, mit dem von ihr mitbegründeten Ensemble Azimuth oder der NDR Big Band bekannt. Auf dem 1997 augenommenen Manhattan... singt sich Winstone gekonnt durch ein stimmiges, 13-teiliges Set von Standards (Lerner/Loewe, Weill/Anderson, Jobim/Buarque, Rodgers/Hammerstein oder Gerard/Mercer), von Pianist Steve Gray arrangiert & im Studio komplettiert von Bassist Chris Laurence & Saxofonist Tony Coe. Die Duo-CD mit Taylor und Repertoire von Dave Brubeck, Duke Ellington, George Gershwin, Carla Bley oder Steve Swallow (letztere mit eigens von Winstone geschriebenen Texten) gerät noch intimer, sanfter und fängt die Stimme der Künstlerin auf dem Zenit ein. www.normawinstone.com |
Lionel Loueke & Celine Rudolph - Obsession
Obsessions / Membran
Erst kürzlich veröffentlicht: Das bereits 2015 (im Fall von Le Vent du Nord sogar schon 2013 in New York) aufgenommene Zusammentreffen der gitarrespielenden Berliner Jazz-Sängerin Celine Rudolph & des singenden Jazz-Gitarristen Lionel Loueke aus Benin im hauptstädtischen A-Trane Studio. Rudolph, die hier auch Glockenspiel & Kalimba beisteuert, zur Zusammenarbeit: "Die Duo-Besetzung ist die größte Herausforderung. Es gibt ebensoviele Risiken wie Freiheiten." Für Loueke "ein einzigartiges Projekt, weil da keine Grenzen waren. Dabei ist die Musik, die wir spielen, nicht einfach." Die beiden sich auch musikalisch in ihrem Interesse für westafrikanische sowie brasilianische Musik und das Französische ergänzenden `Besessenen´ haben lediglich einmal auf Fremdrepertoire zurückgegriffen (Caetano Velosos O Leãozinho), sieben Songs sind Rudolph-Kompositionen, zwei Stücke stammen aus Louekes Feder. Obsession, der Mitschnitt des musikalischen Intimtreffens, erscheint auf dem fast gleichnamigen Label von Celine Rudolph. Ab Januar wieder zwei Auftritte in Österreich. Check out: www.celinerudolph.com * www.lionelloueke.com |
LIVE
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Verve - Jazz Loves Disney 2 - a kind of magic
Various Artists - Verve / Universal
Nach weniger als einem Jahr präsentiert Verve bereits die Fortsetzung des geglückten Jazz Loves Disney-Projekts. Möglicherweise haben Produzent Jay Newland und Arrangeur/Dirigent Rob Mousey damals gleich auf Halde aufgenommen. Jamie Cullum jedenfalls ist erneut mit von der munteren Partie und wirft sich in ein launiges Duett - mit Ex-Fußballer Eric Cantona! - für Be Our Guest aus Beauty and the Beast. Mit dem Titel-Stück aus dem gleichen Film eröffnet Bebel Gilberto das Album im Bossa-Style, gefolgt von Imanys eleganter Version von Someday My Prince Will Come aus Snow White, Disneys erstem abendfüllenden Spielfilm von 1937. Angelique Kidjo gibt sich alle Mühe, mit Try Everything aus Zoomania (2016) auch ein Stück aus einem jüngeren Disney-Streifen abseits der Klassiker zum Ereignis werden zu lassen. Die Amazing Keystone Big Band, hier durchgängig als Backing-Ensemble im Einsatz, tritt mit der Musik zum legendären ersten vertonten Mickey Mouse-Kurzfilm Steamboat Willie (1928) in den Vordergrund und Thomas Dutronc steuert die franko-englischen Vocals zu When I See An Elefant Fly (aus Dumbo von 1941) bei. Auch Jacob Collier, Selah Sue, Laura Mvula oder Madeleine Peyroux treffen den Ton der ausgewählten Stücke aus Arielle, Cinderella, Mary Poppins oder den Silly Symphonies. Einzig George Bensons sich im Kitsch-Refrain erschöpfendes You´ll Be In My Heart aus Tarzan fällt ab. Und auch, wenn es erneut nichts wurde mit einer Version von Love Goes On aus Robin Hood - der Disney-Katalog bietet noch etliche Steilvorlagen - looking forward to Volume 3. Rezension Jazz Loves Disney Folge 1 * Jazzecho-Infos * |
TIPP |
Immer noch im wilden Typo-Mix, aber viel besser lesbar: das Booklet 2. |
Andy Pfeiler - Brain Boogie
Herbie Martin Music / Edel
Brain Boogie nennt sich das im Herbst veröffentlichte Album des in Stockholm lebenden Gitarristen bei Nils Landgren´s Funk Unit. Andy Pfeiler ist einer der begehrtesten Studiomusiker Schwedens und hat sich für das vorliegende Werk mit seinen langjährigen, befreundeten Bandkollegen Thobias Gabrielson (b, keyb) & Tobias Tagesson (dr) zu einem, alles in einem Take aufnehmenden, verschworenen Funk Power-Trio zusammengetan. Dies ist bereits die komplette Besetzung des Albums - nur auf einem Track singt Pfeilers Tochter Astrid zusätzliche Backing Vocals. Vom Sound und auch der Gesangsstimme her agiert Pfeiler seinem Bandleader nicht unähnlich - gegeben wird die nordisch-aufgeräumte, nicht schwitzende Version von Black Music, ergänzt von Steely Dan-Referenzen. Die gesellschaftskritischen Texte hätte man in diesem Kontext jedoch nicht unbedingt erwartet. Doch auch skandinavische Gitarreros haben offenbar eine Meinung zu Krieg, Klimaveränderung oder Menschenrechten. http://andyp.se/wordpress |
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Lia Pale - The Schumann Songbook
Lotus Records / Harmonia Mundi
Die oberösterreichische Sängerin (& Flötistin) Julia Pallanch, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Lia Pale und ihr musikalischer Partner mathias rüegg (Ex-Leiter des Vienna Art Orchestra) widmen sich nach ihren Schubert- und Heine/Rilke-Projekten nun dem romantischen Liedgut Robert Schumanns. rüegg, der einmal mehr originalgetreu, also „Takt für Takt“ die Begleitungen für Pales englischen Gesang arrangierte, dazu: "Im Gegensatz zu Schuberts Einleitungen sind es bei Schumann die Endings, die ins Auge stechen und bisweilen die Türen weit ins 20. Jahrhundert hinein aufstoßen." Melodie & Form (ergänzt um gelegentliche Soli als Zugeständnis im Jazz-Kontext) bleiben bestehen, auch die Harmonien orientieren sich am Original. Romantik(er) im 21. Jahrhundert. |
LIVE
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Caroll van Welden sings Shakespeare Sonnets 3
Jazz´n Arts / In-Akustik
William Shakespeares reicher Fundus an Sonetten (154 an der Zahl) erlaubte der belgischen Jazzsängerin und Pianistin Caroll Vanwelden nach bereits zwei Alben mit Vertonungen von Lyrik des wohl berühmtesten Dramatikers der Weltliteratur (von 2012 & 2014 - s.r.) leicht auch eine dritte Folge. "Die Motive Shakespeares sind faszinierend und universell zugleich - in ihnen finde ich mich selbst wieder und auch ein großes Maß an Inspiration" meint die Künstlerin, die einmal mehr durch Trompete & Flügelhorn von Labelchef Thomas Siffling unterstützt wurde. Mit den vorliegenden 16 Stücken soll die Trilogie abgeschlossen sein. Play Track 11, Some Say Thy Fault Is Youth & 13, Tired With All These. Alle Sonett-Texte sind als Booklet beigefügt. www.carollvanwelden.com Live am 14.12. mit den Shakespeare Sonnets im Alten Pfandhaus Köln, weitere Auftritte am 15.12. in Stuttgart & am 19.12. mit der Band Appleton in Frankfurt. |
LIVE |
Sonnette - 1 * Sonnette - 2 Rezensionen |
Matthieu Bordenave - Terre de Sienne
enja / Soulfood
Synästhesie - die "Vermischung der Sinne" - ein faszinierendes Phänomen. Synästhetiker sehen etwa Worte, Zahlen oder Musik in Farbe. Der französische, in München lebende Saxophonist, Klarinettist & Komponist Matthieu Bordenave ist einer dieser Menschen mit einem zusätzlichen Kanal der Wahrnehmung - er "hört Farben und ordnet sie bestimmten Tönen und Harmonien zu." Alle Kompositionen seiner CD Terre de Sienne sind nach den Farben der bedruckten Papiere auf seinem Notenständer benannt, von denen sich Bordenave zu den jeweiligen Melodien inspirieren ließ, Basslinie und Harmonien dann später hinzufügte. Den Anstoß für diese melodiegetriebene Farbmusik seines Quartetts Grand Angle mit Gitarrist Peter O'Mara, Kontrabassist Henning Sieverts und Schlagzeuger Shinya Fukumori sind die Préludes des im Booklet zitierten, führenden modernen französischen Komponisten (& Synästhetikers) Olivier Messiaen. Wie können sich Non-Synästhetiker nun in diese Zwischenwelt hineinfinden? Es eröffnen sich zumindest interessante Optionen für die Live-Präsentation, sollte man meinen. Matthieu Bordenave spielt immer wieder in verschiedenen Formationen im Münchner Raum - als Nächstes am 19. Dezember in der Münchner Unterfahrt, dann wieder im neuen Jahr - alle Termine hier. www.matthieu-bordenave.com |
LIVE |
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