REVIEWS POP 09-2016

 


 

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D.A.R.K. - Science Agrees

Cooking Vinyl / Indigo

pop 08 16 DARK

Es folgt der von einem mächtigen Diskobass getriebene Dancetrack Miles Away und das erneut mehrstimmig gesungene The Moon. Im stockenden Underwater notiert man sparsame Hip Hop-Einflüsse, ehe es das Überraschungstrio mit Loosen The Noose ausklingen lässt. 
Play Tracks 3-7.
www.darkofficial.co.uk  www.facebook.com/darktheband

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D.A.R.K., ist die neu gebildete Formation aus Cranberries-Sängerin Dolores O‘ Riordan, Smiths-Bassist Andy Rourke und dem New Yorker DJ/Producer Olé Koretsky. Dem elektronischen Austausch von Tracks & Ideen folgten ernsthaftere Treffen im kanadischen Ontario, die im nun für September avisierten Album "Science Agrees" resultieren. Nach dem als Single ausgekoppelten Curvy und dem wohl Brian Eno-inspirierten Chynamite folgen das erste Song-Schwergewicht Gunfight sowie Steal You Away, wo verblüffenderweise jeweils auch Rourkes Nicht-Stimme über Koretskys Wall of Sound zum Einsatz kommt. Erst für das eingängige High Fashion übernimmt  O´ Riordan deutlich das Kommando. Sie singt insgesamt variabler als im Cranberries-Kontext, erst im sechsten Track Watch Out kommen ihre charakteristischen Registerwechsel zwischen Kopfstimme und tiefer Tonlage zum Tragen.

Michael Kiwanuka - Love & Hate

Polydor / Universal

Massive Soul. Da traut sich einer die ganz große Geste. Schon im ersten Track von Love & Hate, seines neuen, vom Dreigestirn Danger Mouse, Inflo & Paul Butler produzierten Albums, geht es um den Londoner Spiritual Soul-Sänger Michael Kiwanuka herum gewaltig in die volle Breite der Leinwand, Streicher und Morricone-würdige Backgroundchöre (ein noch öfter auftauchendes Stilmittel) inbegriffen. Der Black Man in a White World (etwa seinerzeit als einziger Schwarzer an der Royal Academy of Music) behauptet sich jedoch auf Albumlänge vor diesem großformatigen Vintage-Klangkörper - geradezu in Marvin Gaye-Manier: seine Stimme bleibt Dreh- & Angelpunkt der melancholischen Balladen, die Kiwanukas R&B-, Soul-, Blues- und Folk-Einflüsse offenbaren.
www.michaelkiwanuka.com Im November kommt der Mann für Konzerte nach Deutschland, u.a. am 10.11. ins Münchner Technikum.

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Red Hot Chili Peppers - The Getaway

WB / Warner

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Spektakulär diesmal auch wieder die optische Verpackung. Für das Cover suchte Peppers-Frontmann Kiedis das in der Los Angeles Municipal Art Gallery 2015 ausgestellte Ölgemälde Coalition II aus. Nicht von ungefähr, denn Künstler Kevin Peterson thematisiert hier die eigene Drogenvergangenheit, “the strength that it takes growing up in the world today, those traumas that it takes to get through it, and to survive and thrive”. Dank der Malerei besiegte Peterson ab 2005 seine Sucht - was Kiedis offensichtlich gefiel: “Being sober for me is a pleasure. I get a lot of joy out of it. It works for me”. Für die Getaway-Hörerschaft auch.

 TIPP
 

Auch hier hat Produzent Danger Mouse seine begehrten Finger im Spiel. Was bedeutet, dass die Chili Peppers beim ersten Album nach 5 Jahren tatsächlich nicht mit Rick Rubin arbeiten. Das klingt zunächst dennoch stärker als auf den letzten drei mediokren Alben der 2000er Jahre seit Californication. Auch wenn das Niveau des Titeltracks, der starken Vorab-Single Dark Necessities, des polternden We Turn Red, der Ballade The Longest Wave, des sich mit furiosen Bass- & Gitarren-Saitenläufen steigernden Goodbye Angels, der Singalong-Nummer Sick Love (mit Elton John am Piano!) oder des funkigen Uptempo-Ausflugs Go Robot in der zweiten Hälfte des Albums nicht ohne Abstriche gehalten werden kann, mit dem Background-Chor-veredelten Encore und dem hymnischen Breitwand-Track The Hunter sind die 50-somethings Sänger Anthony Kiedis, Bassist Flea, Drummer Chad Smith & 15 Jahre jüngere Gitarrist Josh Klinghoffer wieder back on track.
Starkes, so nicht erwartetes Peppers-Comeback. Play Tracks 1-7,11,12.

www.redhotchilipeppers.com

Messer - Jalousie & Kachelbad-EP / Roosevelt 

Trocadero / Indigo
*  City Slang - Universal

"Sag Jalousie und sag auch, was dahinter liegt." Messer-Mastermind Hendrik Otremba lässt Im Schwindel von 2012, Die Unsichtbaren von 2014 und der heuer Ende Juno vorausgeschickten Kachelbad-EP mit zwei Albumtracks, zwei Detektive-Remixen und dem schneidenden, titelgebenden Spoken Word-Prolog nun das dritte Album folgen, das zunächst offensichtlich mit der Tradition der Otremba´schen Cover-Gemälde bricht. Mit neuem Gitarristen Milek und Gästen wie Jochen Arbeit (Einstürzende Neubauten), Micha Acher (The Notwist) oder Stella Sommer (Die Heiterkeit) dreht man an der einen oder anderen musikalischen Wave-Stellschraube und bewegt sich mit durchaus eingängigen Song-Strukturen produktionstechnisch ein wenig mehr in die Breite. Textlich geht es, nach einigen zwischenzeitlich naheliegenden Begegnungen am Theater mit der ganz eigenen, nervösen Energie-Lyrik Marke Messer weiter: "Den Vater hab ich unlängst auserzählt, doch die Mutter braucht noch viele Worte." Messer geben ihr weiter hinter der Jalousie vermutetes Geheimnis noch nicht preis - und bleiben einzigartig in der deutschen Musiklandschaft.

Selbige kann sich derzeit gut auf den Hot Chip-beglaubigten Elektropop des 25-jährigen Vierseners Marius Lauber einigen. Beim PULS-Open Air im Frühsommer konnten sich auch süddeutsche Fans von der Leichtigkeit überzeugen, mit der der neue Hoffnungsträger aus dem Kompakt-Umfeld attraktive Hooks aus dem Ärmel zu schütteln scheint. Vom Clubsound der eigenen DJ-Vergangenheit hat sich sein Bühnen-Alter Ego Roosevelt hoch melodischen Wall-of Sound-Uptempo-Popsongs wie Belong, Moving On oder Heart zugewandt, die clever 80´s Charts-Wave Marke Thompson Twins oder Howard Jones mit Dance-Elementen verquirlen. Sein Debütalbum hat Lauber allein aufgenommen und produziert, war aber gescheit genug, die Abmischung dem amerikanischen TV on the Radio-Produzenten Chris Coady zu überlassen - im UK & den USA wird man schon aufmerksam auf diesen Roosevelt. Der ist live mit Schlagzeuger und Bassist unterwegs, im Oktober u.a. auch im Münchner Strom.
www.iamroosevelt.com

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www.gruppemesser.blogspot.de

www.trocadero-home.com

 

 

 

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Lack of Afro - hello baby / outer space - Chase Across Orion

Loa Records / Groove Attack  *  Tucxone Records / Fat Beats

1 Soul & Funk mit Motown-, Pop-, Latin Disco- , Hip Hop- & Off-Beat-Einsprengseln - für das abwechslungsreiche Hello Baby hat sich Adams Gibbons aka Lack Of Afro für acht der zwölf Songs Gastsänger(innen), etwa Elliot Cole, Juliette Ashby, Herbal T oder gar Joss Stone ins Boot geholt. Vintage Samples sorgen für 60s/70s-Atmosphäre, Bläsersätze und Perkussion für gute Laune - nicht umsonst lautet der Titel des abschließenden Tracks Now I Feel Good. Lack Of Afro hat also ganz und gar seine Wurzeln nicht vergessen.
www.lackofafro.com

 2 Keinerlei Lack of Afro, im Gegenteil spannende Afrobeat- & Ethio-Jazz-Spacecapades durch die Grooves unserer Galaxie liefert die erste bemannte Raumfahrt von Outer Space zu den Ausläufern des instrumentalen Tucxone-Sonnensystems. Diese Chase Across Orion mit der Mannschaft um Trompeter & Komponist Marc Mena, Joan Urpinell & Alex Molas (g,b) Ramón Aragall (dr), Gorka Garay & Aram Montagut (ts, tb) sowie Jordi Gasas (perc) in bester Sun-Ra Arkestra-Tradition sei Genre-Fans hier ausdrücklich ans Herz gelegt. 

www.tucxone-records.com

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Phia - The Ocean of Everything

Labelship / Broken Silence

My heart has strings like a guitar, will you play me a major chord? Die australische Improvisations-Künstlerin Sophia Exener aka Phia hat es für ihr im Funkhaus Berlin mit dem langjährigen Kollaborateur Joshua Teicher produziertes Debütalbum The Ocean Of Everything geschickt verstanden, den - teils geloopten - Sound der afrikanischen Kalimba zu ihrem Markenzeichen zu machen. Von Eli Crews in New York gemixt und gemastert, sind hier elf eingängige Eigenkompositionen mit positiven kleinen Geschichten entstanden, die neben Phias facettenreicher Gesangsstimme vom Sound der gezupften Metall-Lamellen geprägt sind. Bei Revisionist klingt es gar nach Suzanne Vegas 99,9 F.  Nach der Pre-Show im Berliner Klunkerkranich, dem Gig beim Artlake Festival in Lichterfeld und einer UK-Tour stehen vom 13. - 24. September weitere Auftritte in Deutschland an. Play Tracks 1-4,6,9,11.    www.listentophia.com

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Purple - Bodacious / Stick Against Stone - Instant

Play It Again Sam / Rough Trade * Mediagroove / Broken Silence

1 Das texanische Trio Purple mit ihrem zweiten Studioalbum Bodacious auf Play It Again Sam. Pop-Punk-Energie zu Beginn, dann folgen die von Red Hot Chili Peppers´ Flea etablierten Slap Bass Crossover Funk-Breaks, Indie-Uptempo Singalong und - einigermaßen überraschend - auch schwer verhallte Dub-Reggae-Passagen. Den Gesang teilen sich Drummerin Hanna Brewer & Gitarrist Taylor Bushby, während Joe Cannariato seine Felle bearbeitet. In your face - Crossover-Pop.

Play Tracks 3,4, 6,11.
www.purpletexasmusic.com 

 

2 Bei den Peppers haben auch die in Eugene, Oregon gestrandeten Stick Against Stone genauer hingehört, nur releasetechnisch reichte es während jahrzehntelangen Musizierens lediglich für eine 4-Track Cassetten-EP. Für ihren nun endlich auch als Longplayer erschienenen Mashup-Sound mit Pop-Appeal sind Crossoverklänge aber nur einer von vielen Einflüssen, auf Instant finden sich auch Pianoballaden, Bläser-Funk-Jazz, Afrobeat, Dub und Talking-Heads-beeinflusste Schmelztiegel-Musik. Mittlerweile gibt es für sowas ja wieder offene Ohren, insofern wünscht man Sängerin Sari Jozoko Morninghawk, Bassist David Soule & Saxofonist Robert ´Xeres´ Shepard mehr kommerzielle Fortüne beim zweiten Anlauf, den der im letzten Jahr an Krebs gestorbene Gitarrist Daniel Ramirez tragischerweise nicht mehr miterleben durfte.
www.stickagainststone.com

 

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Slow Club - One Day all of this won´t matter anymore / Seratones - get gone

Moshi Moshi / Red Essential * Fat Possum - PIAS UK / Rough Trade

Diese Platte könnte eines Tages eben doch einen Unterschied machen - so ausgereift präsentiert sich das britische Antifolk-Duo Charles Watson und Rebecca Taylor hier - und sucht sich mit One Day... ein Plätzchen zwischen Größen wie Fleetwood Mac, Linda Ronstadt oder den Cowboy Junkies. Für die Aufnahmen zu ihrem vierten Album (in zehn Jahren) zogen sich die beiden Singer/Songwriter aus Sheffield in Matthew E. White's Spacebomb Studios in Virginia zurück und spielten dort 12 stimmige Tracks mit Wüstenrock-, Westcoast-, Soul- und Countryfolk-Einflüssen ein. Hoher Gebrauchswert -  play all tracks!   www.slowclubband.com
Im Herbst leider nur im UK live zu begutachten. Lohnt möglicherweise aber einen - brexitverbilligten - Inseltrip !

 

Die Röhre ihrer Sängerin A.J. Haynes sichert dem energiegeladenen Garagen-Rock Vierer Seratones und dem Debütalbum Get Gone derzeit einige Aufmerksamkeit. In der US-Presse bereits mit Referenzgrößen wie Janis Joplin oder Mavis Staples verglichen, weiß die Frontfrau der Truppe aus Shreveport, Louisiana durchaus auch hin & wieder sanftere Töne anzuschlagen (Tide, Chandelier, Keep Me). Aktuell ist all das auch live auf drei Konzerten in Deutschland zu begutachten: am 22.8. im Hamburger Molotow, am 23.8. im Berliner Berghain und am 24.8. im Kölner Blue Shell.
Play Tracks 3,9,11.

Live-Termine
www.fatpossum.com www.facebook.com/seratonesofficial

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 LIVE-

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Owen - The King of Whys / Spain - Carolina

Wichita - PIAS / Rough Trade * Glitterhouse / Indigo

1 Schwere Gitarrenakkorde leiten The King Of Whys ein, das aktuelle Album der früheren Emo-Größe Mike Kinsella aus Chicago (u.a. Cap'n Jazz oder Joan Of Arc), der mittlerweile vor allem als Owen unterwegs ist. Die melancholischen Klänge wurden im letzten Winter in den April Base Studios (Eau Claire, Wisconsin) mit Producer S. Carey und Musikern aus dem Bon Iver-Umfeld eingespielt. Damit es auf diesem etwas verfrüht den Herbst einläutenden Album nicht zu gleichförmig graut, werden ab und zu vertrackte Drum-Pattern & Tempiwechsel, Posaunentupfer oder Chöre eingestreut. www.owenmusic.com

2 "This is the first album I released since my dad died." Auf Carolina wendet sich Josh Haden, Sohn des Jazzbassisten Charlie & Bruder der vielseitigen Sängerin Petra (hier auch einmal an der Violine dabei) der familiären Vergangenheit zu. In fragilen Americana-Folk-Balladen schaut der Spain-Mastermind neben dem Tod seines Erzeugers & musikalischen Mentors im historisch genau recherchierten Kontext der Familiengeschichte auch zurück auf die eigene Kindheit, zurückgelassene Freundschaften oder eine verlorene Jugendliebe und scheut sich dabei auch nicht vor zuweilen bewusst wackligen Vocals. "I wanted to get back to my musical family roots of country". Produziert hat das stimmige Werk Multiinstrumentalist Kenny Lyon (u.a bei Sting, Joe Walsh, Lemonheads oder Bruce Springsteen), dem man allerdings eine weniger lieblose Aufmachung des Text-Booklets gewünscht hätte. www.spaintheband.com

 

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Wendy Bevan - Rose and Thorn / The Living Gods of Haiti - Bone Dry

beide: Kwaidan Records / Indigo

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Der süße Schmerz der Rosendornen ist es womöglich, der die britische Ex Temper Temper-Chanteuse & Foto-Künstlerin Wendy Bevan auf dem Cover ihrer Solo-CD den bleichen Augenaufschlag Richtung Milchstraße senden lässt. Nicht nur auf dem Cover werden hier der Gothic-Gemeinde willkommene Assoziation zu stilprägenden New Wave-Künstlern vergangener Zeiten geweckt. US-Genremedien haben gar schon eine ´gothic goddess for the 21st century´ ausgemacht und fragen:"Is Wendy Bevan the new Siouxsie Sioux?" Nach Punk-Sozialisierung sollte man bei diesem Reissbrett-Produkt allerdings eher nicht suchen. Wem melodisch-ätherische Theatralik, Drumbox-Baukastensound und die Beteiligung der Streicher des Balanescu Quartet reichen, wird bei einigen Midtempotracks immerhin Visage-nah bedient, bevor das Album gegen Ende doch zu soßig wird.
www.wendy-bevan.com
Auftritte / Ausstellungen

 

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Kwaidan, die zweite. Ähnlich esoterisch-elektronisch geht es bei diesem Duo aus Sängerin, Schriftstellerin & Videokünstlerin Rebekah Dobbins nebst Label-Head Marc Collin zu, das der Killing Lotus EP aus dem Frühjahr nun ein ganzes Album folgen lässt. Mit Voodoo-Ästhetik, Tribal-Getrommel und viel Hall versetzte, wavekompatibel sinnlich-theatralische Gesänge zu okkulter Aleister Crowley-Gedächtnis-Lyrik schielen öfter arg in Richtung Dead Can Dance. Erklärt wird all das mit Rebekahs partiell syrischer Abstammung und ihrer Kindheit im keltisch geprägten, windigen Südwesten Englands, "wo die Erinnerung an die unheimliche Vergangenheit des Landes selten mehr als ein Feld weit entfernt ist." Aber hallo.
www.thelivinggodsofhaiti.com

https://kwaidanrecords.bandcamp.com