Flao, Igort, Sandoval. Comics Triple 10-23

Zehn Jahre nach Kililana Song, dessen Handlungsmittelpunkt in Kenia lag, kehrt Illustrator Benjamin Flao mit einer neuen Graphic Novel bei schreiber&leser zurück. Diesmal wirft er als Autor und Zeichner einen sozialkritischen Blick in eine mögliche nahe Zukunft Frankreichs, in der nur noch wenige Gebiete aus dem überfluteten Land ragen.

In dieser Welt haben sich Jeanne Vogel und ihre erwachsenen Söhne, Hans und Gorza, eingerichtet. Jeanne und Gorza bewohnen ein Häuschen auf einer kleinen, von Grün überwucherten Insel. Hans kreuzt mit seinem Boot auf dem Wasser, immer auf der Suche nach Nahrung und Gelegenheiten. Sie weigern sich, in die staatlich verordneten Unterkünfte zu ziehen – in diese „klimatisierte, gesicherte, abgedichtete und versiegelte Hölle”.

In Auf dem Wasser arbeitet Flao zwei Gruppen von Menschen heraus: Jene, die sich mit neuen Gegebenheiten abfinden und sich daran anpassen und jene, die am Althergebrachten festhalten, in den Städten ausharren, während um sie herum das Wasser steigt. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu Auseinandersetzungen kommt.

Skizzenhaft fängt Flao Stimmungen ein, grün-gelbe Bilder dunstverhangener Tage, trüben Wassers und trägen Dahinfließens. Und über den Geschehnissen lässt er einen telepathischen Hund Gedanken einstreuen, über Raum und Zeit, losgelöst in nachtblauen ganzseitigen Panels, ein weiser Beobachter aus dem Off.

www.schreiberundleser.de

 TIPP

Als Mitbegründer der Künstlergruppe Valvoline, die ab 1981 das Independent-Comicmagazin Il Pinguino herausbrachte, bekam Igor Tuveri, alias Igort, die Gelegenheit, als einer der ersten europäischen Comic-Autoren für japanische Verlage zu arbeiten. In mehreren längeren Arbeitseinsätzen entdeckt der Italiener Nippon als seinen Seelenort – die Region, ihre Menschen, ihre Geschichte und Traditionen. 

Aus Igorts Aufzeichnungen, Skizzen und Fotos sind drei sehr persönliche Berichte aus Japan in Form von Notizbüchern entstanden, in denen er handschriftlich dargestellte Textpassagen mit Zeichenpanels kombiniert und so seiner Faszination für das Land und seine Kultur Ausdruck verleiht: Eine Reise ins Reich der Zeichen (2016), Ein Zeichner auf Wanderschaft (2018) und Moga, Mobo, Monster (2020) - alle seinerzeit auf diesen Seiten gewürdigt.

Nun gibt es alle drei Bände auch zusammengefasst - in einem von Igort selbst wunderbar gestalteten Schuber.

www.reprodukt.com

TIPP

Dreimal für den Eisner-Award nominiert, ist der mexikanische Comic-Virtuose Tony Sandoval auch in Deutschland durch seine bereits bei Cross Cult erschienenen magisch-mystischen Werke (Wasserschlangen, Doomboy, 1000 Stürme) kein Unbekannter mehr. In Volage – Die Chronik der Unterwelt führt er Dark Fantasy-Fans zusammen mit dem renommierten belgischen Comic-Autor Stephen Desberg (Der Skorpion, Die Unsterblichen) direkt in eine von Bosch und Dante inspirierte Höllenvision in Blutrot und Aschgrau, bevölkert von schmerzgepeinigten Sündern, abscheulichen Dämonen und halbverwesten Mischkreaturen.

Sandovals Artwork lebt vom Ungefähren, Verwischten, Uneindeutigen – und ist damit ideal für die Darstellung solcher Pein. Jede*r kann sich - inspiriert von der Phantasie des Zeichners - sie sich explizit ausmalen, die eigene Hölle.

Neuankömmling Ian McGilles trifft dort auf schillernde historische Persönlichkeiten wie Lucusta, Giftmischerin aus dem alten Rom, Isabelle De Castille, Organisatorin der Inquisition, die ruchlose Piratenkapitänin Anne Bonny, den Komponisten und Mörder Carlo Gesualdo, SS-Offizier Hermann Fegelein oder Jack The Ripper. Gemeinsam versucht diese einschlägige Gruppe der Hölle zu entfliehen, immer verfolgt vom Wächter der Unterwelt und seiner Meute Höllenhunde. Und trifft dabei auf eine Karawane gefangener Fabelwesen, die als Opfergaben enden sollen. Unter diesen ist eine gefiederte Frau von atemberaubender Schönheit, die Ian in ihren Bann zieht. Ihr Name ist … Volage.

© cinesoundz 2023 - texts gb